Gladbachs genialer Coup
Zwei Monate wartete die Borussia auf einen Sieg. Der 3:2-Erfolg beim HamburgerSV wirkt wie eine Erlösung.
Hamburg. Halloween - im diffusen Licht der Hamburger Arena hallten die niederrheinischen Gesänge noch lange nach dem Abpfiff durch das fast leere Stadion. Fast schaurig-schön ist die Atmosphäre. Die Szenerie beherrschen die siegestrunkenen Anhänger des VfL Borussia. Gladbach feiert.
Da will sich auch Cheftrainer Michael Frontzeck (45) nach dem Triumph in Hamburg (3:2) nicht zwei Mal bitten lassen. Im Innern der Arena ist auch ihm ein wenig feierlich zumute - und Frontzeck macht 54 Tage vor Heiligabend einen Zeitsprung. "Frohe Weihnachten", ruft der Trainer den Journalisten zu, nachdem er sich zuvor ausführlich mit dem "Fußball-Wunder von der Waterkant" beschäftigt hatte. "Ich bin total erleichtert und stolz auf meine Mannschaft. Das war unsere beste Saisonleistung."
Im Grunde hatte nichts für einen Borussen-Erfolg beim Titelaspiranten gesprochen. Was sollte schon einer seit Wochen famos aufspielenden Mannschaft wie dem HSV gegen die seit sechs Spielen sieglosen Gladbacher groß passieren? Doch wir wissen längst, dass der Fußball seinen Reiz daraus bezieht, dass immer wieder einmal alles möglich ist.
Vor dem "Unglaublichen" sind selbst Galaktische wie Real Madrid nicht gefeit. Und der HSV? Das Team von Bruno Labbadia ist nach dem Pokal-K.o. in Osnabrück ein zweites Mal in die Realität zurückgeholt worden. Trotz zweimaliger Führung hat der Tabellendritte die Gunst der Stunde nicht genutzt und den Sprung an die Spitze der Bundesliga verpasst.
Ohne die Sturmkanonen Petric und Guerrero, die noch eine Ewigkeit wegen Verletzung ausfallen, ist der HSV an seine Grenzen gestoßen. Aber er braucht sich deshalb nicht zu grämen. Zum einen spielten die Hamburger trotz alledem immer noch gefällig, zum anderen trafen sie auf eine bravourös kämpfende Gäste-Elf, bei der auch erstaunliche spielerische Fertigkeiten zum Vorschein kamen.
Bemerkenswert, mit welcher Leichtigkeit und Überzeugungskraft die VfL-Profis die Vorgaben ihres Trainers umsetzten. Selbst nach der zweiten HSV-Führung (47.) durch ein Traumtor von ZéRoberto ließen die Gladbacher in ihrem Elan nicht nach. Sie machten mutig weiter, glichen durch Dantes wuchtiges Kopfball-Tor zum 2:2 aus und schafften durch den eingewechselten Rob Friend das Siegtor.
"Wir haben uns der Kabine geschworen, nicht locker zu lassen und einfach gespürt, dass was möglich ist", sagte Marco Reus, ein junger Hüpfer von gerade mal 20. Wie ein "alter Hase" verhielt sich Reus beim 1:1-Ausgleich, als er nach einem Konter über vier Stationen den Ball mit einem Lupfer über Torwart Frank Rost hinweg schlenzte.
"Ich habe geglaubt, die Gladbacher würden hier mauern. Wenn sie in dem Stil weiter machen, geht es schnell wieder nach oben", sagt der eingewechselte Marcell Jansen, der das Fußball-Abc einst bei der Borussia erlernte.
Trotz aller Lobeshymnen gehen die Gladbacher mit dem ersten Sieg in Hamburg seit 1994 nüchtern um. "Dieser Sieg ist wertvoll, zweifellos, und das Spiel hat gezeigt, dass die Mannschaft intakt ist", sagte Kapitän Tobias Levels, "aber wir heben jetzt auf keinen Fall ab." Halloween war gestern, am Samstag wollen die Gladbacher versuchen, den Schwaben aus Stuttgart den nächsten Streich zu spielen.
Hamburg:
überragend: -
gut: Pitroipa, ZéRoberto, Jarolim
zufriedenstellend: Rost, Mathijsen, Demel, Aogo, Elia, Trochowski
enttäuschend: Boateng, Berg
Gladbach:
überragend: -
gut: Levels, Dante, Arango, Reus
zufriedenstellend: Bailly, Jaures, Marx, Bradley, Colautti, Bobadilla, Matmour
enttäuschend: Brouwers