Randale und Abstiegsangst: Eintracht unter Schock
Frankfurt/Main (dpa) - Tränen, Trauer und Tumulte: Nach dem von Gewaltexzessen begleiteten Absturz auf einen Abstiegsplatz liegt die einstmals heile Welt bei Eintracht Frankfurt endgültig in Trümmern.
Während der Mob im Anschluss an die bittere 0:2-Heimpleite gegen den 1. FC Köln im Stadion tobte und die entsetzten Spieler zur Flucht in die Kabine trieb, rangen die Verantwortlichen in den Katakomben mühsam um ihre Fassung. „Das ist der Tiefpunkt in meinen acht Jahren bei der Eintracht. So etwas darf es im Fußball nicht geben“, kommentierte der sichtlich mitgenommene Vorstandschef Heribert Bruchhagen die Bilder von randalierenden Fans, die die Jubel-Party der geretteten Kölner abrupt beendeten und zunächst nur durch eine Hundertschaft der Polizei gestoppt werden konnten.
Die Jagdszenen in der Frankfurter WM-Arena werden nicht ohne Konsequenzen bleiben. „Der Kontrollausschuss des DFB wird sich mit den Vorfällen befassen“, kündigte DFB-Mediendirektor Ralf Köttker an. Der DFB-Sicherheitsbeauftragte Helmut Spahn kritisierte die Vorkommnisse, bei denen zehn Personen verletzt und sechs Fans festgenommen worden waren, als völlig inakzeptabel. „Wichtig ist jetzt bei aller Emotionalität eine objektive Beurteilung der Situation“, sagte Spahn.
Dies soll im Hinblick auf das Saisonfinale der Eintracht beim Meister Borussia Dortmund bereits an diesem Montag geschehen. „Es wird eine Sicherheitsbesprechung mit allen Beteiligten geben. Dabei werden DFL, DFB sowie staatliche Stellen mit den Clubs nötige Maßnahmen für den reibungslosen Ablauf des Spiels erörtern“, sagte DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus.
Die aufgeheizte Lage hatte sich am Samstag erst beruhigt, nachdem sich Eintracht-Präsident Peter Fischer und später auch die Profis den Anhängern zum Gespräch gestellt hatten. „Wir haben sehr intensive Gespräche mit den Fans gehabt, die sehr emotional geprägt waren. Wir haben die gesamte Bandbreite erlebt, von persönlichen Angriffen und Beschimpfungen bis zu Unterstützung und Zuspruch“, berichtete Trainer Christoph Daum.
„Dass wir nicht mit unseren Fans feiern konnten, lag an ein paar Frankfurter Idioten“, polterte Lukas Podolski. „Aber das holen wir nächste Woche nach. Die Erleichterung über den Klassenverbleib ist natürlich groß“, sagte der FC-Nationalspieler.
„Die Sicherheitsbeamten haben sehr gut funktioniert. Deshalb war der Spuk schnell vorbei“, sagte Bruchhagen am Sonntag in der Fernseh-Talkshow „Doppelpass“ bei Sport1. An der Gesamtbewertung der prekären Situation änderte dies nichts. „Das ist eine bittere Stunde für Eintracht Frankfurt“, meinte Bruchhagen doppeldeutig.
Denn auch die sportliche Situation droht in Frankfurt zu eskalieren. Durch die Niederlage, die Adel Chihi (24.) und Podolski (90.+3) mit ihren Toren besiegelten, stehen die Hessen dicht vor dem vierten Abstieg nach 1996, 2001 und 2004. „Wir befinden uns jetzt natürlich in einer äußerst schwierigen Situation, aber bei einem Punkt Rückstand haben wir noch eine Resthoffnung, die sensationelle Wende zu schaffen“, sagte Bruchhagen.
Nach einer der schlechtesten Rückrunden in der Bundesliga-Geschichte spricht vor dem Gang zum BVB jedoch herzlich wenig für die Frankfurter. „Ich muss mich im Moment mit Durchhalteparolen oder Phrasen über Wasser halten, denn die Fakten sprechen nicht für uns“, räumte selbst Berufsoptimist Daum ein.
Der 57-Jährige, der Ende März für den entlassenen Michael Skibbe gekommen war, hat die erhoffte Wende nicht herbeiführen können. In den sieben Spielen seiner Amtszeit gab es keinen Sieg, dafür aber bei vier Unentschieden drei Niederlagen. „Es ist keine Situation, in der ich strahlend und mit voller Überzeugung sagen kann, jetzt wird auf einmal alles ganz anders. Wenn es anders werden soll, dann müssen wir ganz anders auftreten. Darüber werde ich mit der Mannschaft reden“, sagte Daum.
Die beispiellose Talfahrt lässt den Sturz in die Zweitklassigkeit immer wahrscheinlicher werden. „Das würde uns um Jahre zurückwerfen“, betonte Bruchhagen, der deshalb appellierte: „Es wäre fatal, wenn wir jetzt resignieren.“
„Wenn man eine Rechnung aufmacht von den Fernsehgeldern über das, was wir bei den Logenpreisen haben, von der Werbung bis zum Hauptsponsor - da ist doch völlig klar, dass das Ding nach unten geht“, beschrieb Aufsichtsratschef Wilhelm Bender die finanziellen Folgen für den Verein.
Bender mahnte, bis zum Endspiel in Dortmund die Nerven zu behalten. Dies sieht auch Daum so, der nicht vor den aufgebrachten Fans flüchten will. „Ich bin überzeugt, dass es möglich ist, in der Woche ein normales Training in Frankfurt zu absolvieren. Ich glaube, dass die, die sich mit der Eintracht identifizieren, die anderen einfangen und überzeugen werden, dass wir gemeinsam durch diese Situation gehen“, appellierte Daum an die Fans.