Insolvenzen: Pleitegeier legt in NRW eine Pause ein
Mit 170 000 Fällen müssen sich die Gerichte auch 2007 herumschlagen. Bei den Firmen ebbt die Welle aber ab.
Düsseldorf. Zwar hinkt NRW wirtschaftlich immer noch dem bundesweiten Trend hinterher, aber beim Insolvenzgeschehen hat das bevölkerungsreichste Bundesland im ersten Halbjahr 2007 erstaunlich gut abgeschnitten. "Wir waren überrascht", meinte Helmut Rödl, Vorstandsmitglied der Neusser Creditreform bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen.
So gingen die Unternehmensinsolvenzen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres zwischen Rhein und Weser um fast ein Fünftel auf 3420 Fälle zurück. Bundesweit verringerte sich die Zahl der Firmenpleiten "nur" um 14,3 Prozent auf 14 100. Eine deutliche Lücke klafft auch bei den Verbraucherinsolvenzen, die bundesweit nochmals um fast ein Fünftel auf 51 600 Fälle hochschnellten. In NRW legten die Verbraucherpleiten im ersten Halbjahr lediglich noch um 3,3 Prozent auf 10 700 Fälle zu. In den alten Bundesländern insgesamt lag die Zahl der Privatpleiten dagegen um rund zehn Prozentpunkte höher, im Osten lag die Steigerungsrate sogar bei 34,9 Prozent.
Für Rödl ist die Rekordzahl bei den Verbraucherpleiten angesicht von inzwischen 4,3 Millionen überschuldeten Haushalten dennoch vergleichsweise gering. Er kennt aus dem Ausland ganz andere Zahlen. In Deutschland haben Haushalte erst seit 1999 die Möglichkeit, Privatinsolvenz anzumelden. Ende 2001 wurde dies weiter erleichtert. Die Wohlverhaltensperiode wurde von sieben auf sechs Jahre reduziert. Und - das ist der Hintergrund für den explosionsartigen Anstieg in den Folgejahren - völlig mittellosen Schuldnern wurden die Gerichtskosten, die zuvor häufig eine Antragsstellung verhindert hatten, gestundet.
Seit Einführung der Stundungslösung sind 90 Prozent der Verbraucherverfahren so genannte masselose Verfahren. Bis Februar 2007 wurden erst insgesamt 5250 Restschuldbefreiungen erteilt. Für die Zukunft hofft Rödl auf schnellere Lösungen. Ein Referentenentwurf sieht vor, mittellose Schuldner direkt in die sechsjährige Wohlverhaltensperiode überzuleiten. Das würde auch die Kosten für die Länder, die pro Fall mit etwa 2500 Euro belastet werden, auf rund 800 Euro drücken.
Nach Schätzungen der Creditreform führten die Firmenpleiten im ersten Halbjahr zu einem Schaden von 16,2 Milliarden Euro - eine Milliarde weniger als im Vorjahr. 188 000 Jobs (Vorjahr 234 000) gingen verloren. Für das Gesamtjahr 2007 rechnet Rödl mit 164 000 bis 170 000 Insolvenzfällen, darunter 28 000 bis 30 000 Firmenpleiten. 2006 gab es 154 860 Gesamtinsolvenzen.