Milch-Streik: Bauern machen ernst
Seit Dienstag stellen viele Milcherzeuger die Lieferungen ein – auch der Meerbuscher Heinz Davids.
Meerbusch. Heinz Davids reicht’s: Die gut 2500 Liter Milch, die seine 90 Kühe auf dem Lanker Birkenhof täglich produzieren, will er nicht mehr an die Molkerei verkaufen. "Jedenfalls nicht zu den Preisen, die die zahlen wollen. Da kipp’ ich die lieber weg!" Deshalb wird der 41-Jährige die Milch zum Teil wieder an seine Kühe verfüttern, zum anderen Teil in die Gülle schütten und als Dünger auf die Felder bringen.
Wie Heinz Davids sind am Dienstag tausende Bauern in Deutschland in den Milch-Streik getreten. Mit dem Lieferboykott wollen sie einen höheren Milchpreis erreichen. Im Schnitt 34 Cent je Liter bekommt Davids derzeit. Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM), der zu der Protestaktion aufgerufen hat, fordert wegen gestiegener Produktionskosten 43 Cent.
Nach Angaben des Verbands machten am ersten Tag des Lieferstopps bundesweit viele der 32 000 Mitglieder mit. "Wir liefern solange nicht, bis wir einen angemessenen Preis für unsere Milch bekommen", droht Davids. "Wir machen diese Aktion doch nicht, um uns eine goldene Nase zu verdienen, sondern wir kämpfen um unser nacktes Überleben."
Die Zahlen geben ihm Recht: Mit gut 100 Hektar Fläche und 90 Milchkühen ist Davids’ Birkenhof etwas größer als der Durchschnitt der 8691 Milchbauernhöfe in NRW. Insgesamt werden dort jährlich bis zu 800 000 Liter Milch produziert. Doch obwohl Davids überwiegend Weidehaltung praktiziert, benötigt er für seine Kühe Kraftfutter - gut 100 Tonnen jährlich.
Aber seit vergangenem Jahr hat sich der Preis dafür von 17 auf 34 Euro pro 100 Kilo verdoppelt. Auch der benötigte Dieselkraftstoff für die drei Traktoren (25 000 Liter jährlich) ist viel teurer geworden. Hinzu kommen Kosten für Tierarzt und Besamungen der Kühe. Dabei ist die Arbeitsleistung noch gar nicht eingerechnet: Für Heinz Davids und seine Familie beginnt der Arbeitstag kurz nach 5 Uhr mit dem Melken und endet gegen 20 Uhr - auch während des Streiks.
Wie lange will er den Streik durchhalten? "Der Streik ist unser letztes Mittel - und er ist unbefristet", sagt Davids. "Wir gehen davon aus, dass es spätestens Anfang der kommenden Woche in den Milch-Regalen von Aldi, Lidl und Co. die ersten Lücken geben wird."
Dann aber räumt er ein, dass ihn jeder Streiktag "bestimmt 1000 Euro" kostet. Geld, das ihm keine Gewerkschaft aus ihrer Streikkasse ersetzt. "Aber das muss sein. Wenn unsere Erzeugerpreise nicht steigen, muss ich den Hof sowieso dichtmachen. Es kann ja nicht sein, dass ich gleichsam Eintritt zahlen muss, wenn ich in meinen Kuhstall zum Melken gehe."
Im Rheinkreis Neuss, den Heinz Davids als BDM-Teamleiter betreut, sind die meisten Milcherzeuger ebenfalls dieser Ansicht. Knapp 40 der dortigen 70 Milcherzeuger haben sich bereits dem Milch-Streik angeschlossen, und im Nachbarkreis Viersen sogar mehr als 100 der insgesamt 200 Milchbauern. Davids: "Wir gehen davon aus, dass sich uns noch viele weitere Milcherzeuger anschließen."
Doch es sind meist die jüngeren Landwirte, die Kampfeswillen zeigen. Die älteren tendieren eher zum Verhandeln - aber aus ethischen Gründen. Kalli Davids (64), Vater von Heinz Davids und inzwischen Altbauer auf dem Lanker Birkenhof: "Die Preise, die die Molkereien zahlen, reichen absolut nicht zum Überleben. Daher kann ich den Streik verstehen. Aber ich habe dabei ein komisches Gefühl im Bauch: Ich könnte niemals die Milch meiner Kühe einfach weg kippen, das brächte ich nicht übers Herz."