Gerhard Richter wird 75: Der Schweiger malt lieber

Gerhard Richter, Deutschlands gefragtester bildender Künstler, wird am Freitag 75 Jahre alt.

<strong>Köln. Die britische Zeitung "The Guardian" nannte ihn den "Picasso des 21. Jahrhunderts". Und ein nicht genannter Kunstsammler hat ihm am Vorabend seines 75. Geburtstages am Freitag ein unerwartetes Geschenk gemacht: Richters "Abstraktes Bild" wurde ihm im Londoner Auktionshaus Christie’s zum Preis von rund vier Millionen Euro zugeschlagen. Mehr wurde noch nie für ein Gemälde von Richter gezahlt. Der letzthöchste Preis waren 3,1 Millionen für "Tante Marianne" von 1965, ein autobiografisches Bild, das an Dresden vorbei ein ebenfalls anonymer Sammler erstand. Aber er hat es dem Museum immerhin als Dauerleihgabe überlassen.

Gerhard Richter ist der schweigsamste unter allen zeitgenössischen großen Künstlern. Er will nicht spektakulär sein, treibt sich nicht auf Vernissagen herum und hat ein Missvergnügen am Glanz. Sein Werk spricht für sich und ihn. Und das ist schwierig genug. Denn Richter und sein Werk kennen längst keine Richtung, kein Synonym mehr.

Er malte Landschaften, wie andere sie fotografiert hätten, Porträts nach alten Familienfotos, und sein Zyklus "18. Oktober 1977" mit den Fahndungsfotos der Roten Armee Fraktion erregte die Öffentlichkeit: Die Täter wirkten plötzlich wie die Opfer einer hysterischen Verfolgungskampagne. Dann wiederum wählte er Industrie-Normtabellen als Vorlage für seine "Sechs Farben" aus.

In Richters poetischsten Gemälden gibt es keine Grenze mehr zwischen Realismus und Abstraktion - beiden neigt er gleichermaßen zu. So malte er Städte aus der Vogelperspektive, die durch nichts anderes als den Wechsel von Grau und Weiß den Unterschied von Gebäuden und Straßen symbolisieren.

Aber er liebt auch das Unausgesprochene, Ungesagte, Ungezeigte, Ungefähre. Viele Gemälde von Richter weisen dem Betrachter eine hohe Bedeutungskompetenz zu, eine Verpflichtung, die nicht jeder gerne auf sich lädt. Das hängt wohl auch mit Freiheit zusammen: nicht nur die politische des Wortes, der Tat, der Entscheidung, sondern als Pflicht zu etwas.

Geboren 9. Februar 1932 in Dresden; er wuchs in der Oberlausitz auf.

Ausbildung Mittlere Reife, dann Ausbildung zum Schriften-, Bühnen- und Werbemaler. 1950 Ablehnung seines Aufnahmeantrags durch die Kunstakademie, erst 1951 Aufnahme. Lehrer u.a. Will Grohmann. 1957 bis 1961 Meisterschüler; Großaufträge der DDR. 1961 Flucht.

Bundesrepublik 1971-1993 Professor für Malerei an der Düsseldorfer Kunstakademie.

Karriere 1972 Biennale Venedig, seither international vertreten. 2002 zeigt das Museum of Modern Art New York anlässlich Richters 70. Geburtstag mit 188 Gemälden die größte je einem lebenden Künstler gewidmete Ausstellung.