Meinung Darum muss die neue Groko anders werden als die alte
An Horst Seehofers Satz wird sich auch die neue große Koalition in den nächsten Monaten messen lassen müssen. Das Bündnis sei eines „für die kleinen Leute“, so der CSU-Chef anlässlich der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages.
Das Papier ist in der Tat sehr sozial angelegt. Aber: Papier ist geduldig. Entscheidend wird jetzt das praktische Handeln der neuen Regierung werden, um den massiven Vertrauensrückgang wieder aufzufangen.
Die Koalition wird anders werden müssen als die letzte, die zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine riesige Lücke gelassen hat. Blickt man zurück ins Jahr 2013, so war es damals SPD-Chef Sigmar Gabriel, der ähnlich wie Seehofer von einer Koalition „für die kleinen und fleißigen Leute“ sprach. Am Abend der Bundestagswahl im letzten Jahr hat sich jedoch gezeigt, dass das Bündnis an den Bedürfnissen vieler Menschen vorbei regiert hat, so erheblich waren die Verluste von Union und SPD.
Die Koalition wird anders werden müssen, weil das Land anders geworden ist. Das haben Union und SPD inzwischen begriffen. Der Einzug der AfD in den Bundestag ist ein Einschnitt und ein Beleg dafür, wie stark der gesellschaftliche Zusammenhalt in Deutschland in den letzten Jahren gelitten hat. Es gibt immer mehr Bürger, die sich abgehängt fühlen und es auch sind, die ganz konkrete Probleme haben und dafür endlich ganz konkrete Lösungen von den Gewählten erwarten — auf dem Wohnungsmarkt, in der Pflege, bei der prekären Beschäftigung oder bei der Armut im Alter.
Und es zeigt sich, dass die Integration sich als viel schwieriger erweist, als gedacht. Die Aufgabe der neuen Groko besteht darin, politische Entscheidungen wieder spürbar werden zu lassen, und zwar in der Form, dass sich das Leben vieler Bürger verbessert. Dann werden auch die Volksparteien wieder gestärkt aus dem ungeliebten Bündnis hervorgehen, selbst die SPD. Personell ist sowohl bei Union als auch bei den Genossen ein Aufbruch in diese Richtung gemacht. Mit dem Koalitionsvertrag ebenso.
Nun wird die neue Koalition keine sein, die sich mit Watte bewirft, im Gegenteil. Das hat sich gestern auch daran gezeigt, dass Horst Seehofer der einzige gewesen ist, der wenigstens etwas Fröhlichkeit versprüht hat. Alle Partner stehen unter erheblichem Profilierungsdruck. Die SPD, um aus dem Tal der Tränen herauszukommen. Die CDU, weil sie sich auch nach Angela Merkel die Macht sichern will. Der innerparteiliche Konkurrenzkampf um ihre Nachfolge hat begonnen. Und die CSU, um zunächst bei der Landtagswahl im Herbst in Bayern die absolute Mehrheit zu verteidigen. Der Umgang in der Groko wird eindeutig härter werden. Was aber nicht zwangsläufig ein Nachteil sein muss.