Meinung Diesel-Schadstoffe - NRW spielt auf Zeit

Es muss schon überraschen: NRW hat vor dem Bundesverwaltungsgericht im Streit um Dieselfahrverbote verloren. NRW-Ministerpräsident Armin Laschet legt das Urteil aber nun so aus, als habe das Land gewonnen.

Foto: Sergej Lepke

Als kämen die politisch nicht gewollten Fahrverbote auch rechtlich nicht in Frage. Als seien sie gar rechtswidrig. Dabei wählt er eine vermeintlich von den Richtern offen gelassene Hintertür, wonach solche Fahrverbote verhältnismäßig sein müssen. Das seien sie aber nicht, so Laschet, weil ja andere Maßnahmen bald greifen würden. Hier dürfte freilich der Wunsch Vater des Gedankens sein. Belegen kann der Ministerpräsident das nicht.

In dem Satz aus der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts, auf den sich Laschet bezieht, steht nicht nur etwas von Verhältnismäßigkeit. Dort steht auch das Wort „schnellstmöglich“. Schnellstmöglich sollen die seit Jahren in mehr als 30 NRW-Kommunen überschrittenen Grenzwerte für die Stickstoffdioxid-Belastung eingehalten werden. Orientieren sich die Bezirksregierungen nun an der unmissverständlich formulierten Rechtsauffassung ihres obersten Chefs, dass keine Fahrverbote erlassen werden sollen, passiert erst einmal nichts in dieser Sache. Vor allem passiert nichts „schnellstmöglich“, wie es die Richter fordern. Denn bis die von Laschet aufgeführten Maßnahmen zu einer relevanten Reduktion der Schadstoffbelastung führen, werden weitere Monate und Jahre vergehen. Nach all den Jahren des schon bisherigen amtlichen Nichtstuns.

Mit seiner Absage an Fahrverbote signalisiert der Ministerpräsident der Autoindustrie, sie in Ruhe zu lassen. Dabei wäre die konsequente Androhung von Fahrverboten ein Weg, die Hersteller dazu zu bewegen, doch noch zumindest die mit Betrugssoftware ausgestatteten Fahrzeuge so nachzurüsten, dass sie auch auf der Straße und nicht nur im Labor die Grenzwerte einhalten.

Ein Landesvater ist nicht nur der Wirtschaft oder den Dieselfahrern verpflichtet. Sondern auch den Menschen, die jeden Tag unter den Emissionen leiden. Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atembeschwerden treffen vor allem geschwächte Menschen. Es ist erst einen Tag her, dass noch einmal vom Umweltbundesamt die Zahl 6000 ins Spiel gebracht wurden. 6000 Menschen, die in Deutschland pro Jahr an Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorzeitig sterben — ausgelöst von Stickstoffdioxid.