Das Ende des Jamaika-Faktors
Die Dopingbefunde und ihre Folgen
Der positive Dopingbefund bei mehreren Weltklasse-Sprintern versetzte der Leichtathletik kurz vor der WM einen Schock und verursachte auf Jamaika ein mittleres Erdbeben. Knapp einen Monat vor Beginn der WM in Moskau steht die Leichtathletik unter Generalverdacht. Auffallend sind tatsächlich die Anzahl der Fälle, sowie der Zeitpunkt und die Namen — Tyson Gay, Asafa Powell und Sharone Simpson. Jamaikas Megastar Usain Bolt hingegen bleibt unbehelligt.
Jamaika gilt als Insel der Sprinter, die Olympiasieger Ben Johnson, Linford Christie und Donovan Bailey sind alle dort geboren, Johnson und Christie wurden des Dopings überführt. Jamaikas Sprinterwelt sammelte zwölf Goldmedaillen bei den vergangenen drei Olympischen Spielen. Das sind mehr als doppelt so viele wie in 56 Jahren olympischer Geschichte zuvor. Die offene Frage, ob da alles mit rechten Dingen zugeht, scheint sich gerade zu beantworten. Das Ende des Jamaika-Faktors zieht am Horizont auf.
Reflexartig werden nach dem neuen Skandal Forderungen nach einer Verschärfung der Sanktionen laut. Doch ist das ein zielführender Ansatz? Manipuliert wird abseits öffentlicher Beobachtung und Kontrolle. Daher ist das Ausmaß des Dopingproblems tatsächlich nicht bekannt. Zumal Dopingmittel stets neu entwickelt werden, Tests werden unterlaufen, Tricks (z.B. Enzympräparate in den Urinproben) angewendet, um nicht entdeckt zu werden.
Gleichwohl ist der Sport nicht besser oder schlechter als die Gesellschaft, in der er betrieben wird. Und so wird vielleicht verständlich, dass der Spitzensport für den Zuschauer als Unterhaltung reizvoll ist, weil er vielleicht nicht vollkommen in Ordnung ist. Doping gehört offensichtlich zu der Art von Drama, wie es der Spitzensport seinen Zuschauern bietet.
Dennoch benötigt der Sport Regeln und muss auf deren Einhaltung achten. Sie machen die Idee des Sports aus. Im Profisport indes schwindet zunehmend die Überzeugung, dass es sich lohne, eben solche selbst gesetzten Regeln einzuhalten. Insofern muss das System des Spitzensports saniert werden, damit er mit seinen wichtigen gesellschaftlichen Funktionen als Kulturgut erhalten bleibt.