Weimarer Republik Das Geschichtsbuch der heutigen Demokratie
Meinung | Berlin · Es gab nur zwei demokratische Republiken in Deutschland, die jetzige und die von Weimar. Die DDR nannte sich nur so.
Dass von dem ersten Demokratieversuch im Wesentlichen nur der Negativbegriff von den „Weimarer Verhältnissen“ geblieben ist, ist ungerecht. Die am 31. Juli 1919 beschlossene Verfassung würde die meisten Staaten der Welt auch heute noch in die Moderne katapultieren. Andererseits ist der Blick auf die Gründe des Scheiterns des Experiments wichtig, um daraus für die heutige Zeit zu lernen.
Der Schwund der Volksparteien gibt Anlass zu Sorge, ebenso wie die zunehmende Polarisierung der Debatten. Was früher die Straßenschlacht war, ist heute der Twitter-Shitstorm. Oft geht elektronische Gewalt schon in reale Gewalt über, wie im Fall Lübcke. Viele der Elemente, die sich in der Weimarer Republik am Ende zu einer giftigen Melange konzentrierten, gibt es auch heute noch oder wieder. Allen voran das mangelnde Bewusstsein der Demokraten über die Verletzlichkeit der Demokratie. Die etablierten demokratischen Parteien haben genau wie in der Endphase von Weimar auch jetzt viel zu häufig nur ihren kurzfristigen Vorteil im Blick. Und sehen nicht, wie fragil das Staatsgebilde ist. Nationalismus und Rassismus erleben gerade eine Renaissance. Wenn immer mehr Menschen schon mitten in einer Zeit bester wirtschaftlicher Entwicklung eine rechtspopulistische Partei wählen, die nur einfache Antworten gibt, dann stellt sich die Frage, was passieren würde, falls wieder eine echte Wirtschaftskrise ausbrechen sollte, so wie 1930. Die Zivilisation ist ein dünner Firniss, das haben die NSU-Morde gezeigt.
Die Weimarer Republik ist wie ein Geschichtsbuch der deutschen Demokratie, das einzige, was die Deutschen hierüber haben. Sie sollten auch heute noch darin lesen. Es könnte nützlich sein.