Meinung Die Briten werden sich für die EU entscheiden
Noch wissen wir nicht genau, aus welchem Motiv heraus die britische Labour-Abgeordnete Jo Cox von einem Mann getötet wurde. Aber der Verdacht drängt sich auf, dass die gewaltsame Aggression mit Worten und Parolen vorbereitet wurde.
Die Auseinandersetzung um den möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU wird auf der Insel mit Hetze und Hass geführt. Andersdenkende werden verunglimpft, Ängste geschürt, Lügen verbreitet. So funktioniert die Brexit-Kampagne. Das könnte der Nährboden sein, der den Mord an Jo Cox möglich machte. Sterben musste eine leidenschaftliche Kämpferin für den Verbleib ihres Landes in der EU.
Besonders viel Zustimmung finden die Brexit-Befürworter bei Menschen, die sich als Verlierer fühlen, als Abgehängte. Menschen, die eine schlecht bezahlte oder keine Arbeit haben. Menschen, die gerne glauben möchten, dass es ihnen bessergeht, wenn weniger Ausländer ins Land kommen. Da gibt es große Schnittmengen zu jenen, die hierzulande AfD wählen. Oder den Front National in Frankreich. Oder die FPÖ in Österreich. Dass diese Rechtspopulisten Aufwind spüren, hat sehr viel mit dem Versagen Europas zu tun. Als Wertegemeinschaft, die eine Jahrhundertaufgabe solidarisch löst, hat die EU beim Thema Flüchtlinge versagt. Dass die Zahl der Asylbewerber derzeit gering ist, bedeutet nicht die Lösung des Problems. Es werden wieder mehr Flüchtlinge kommen. Und die EU ist darauf unverändert schlecht vorbereitet.
Das rechtfertigt aber keineswegs den Austritt aus der Gemeinschaft. Brexit bedeutet Isolation. Politisch und wirtschaftlich. Das Pfund würde erheblich an Wert verlieren, ausländische Firmen hätten kein Interesse mehr an Investitionen auf der Insel. Verlieren würden alle in Europa, aber besonders hart träfe es die Briten selbst. Die Brexit-Befürworter behaupten, Großbritannien könne den Handel mit Amerika oder China ausweiten. Was für ein Unsinn. Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass der Warenaustausch der Briten mit der EU von überragender Bedeutung ist. Für die Beschäftigten auf der Insel führt der Brexit in die Massenarbeitslosigkeit. Eine Mehrheit der Wahlberechtigten begreift das hoffentlich und stimmt am 23. Juni gegen den Austritt. Darin läge dann eine große Chance für die Gemeinschaft. Weniger Europa immer dann, wenn nationale Lösungen möglich sind. Aber bei Aufgaben, die alle betreffen, entscheidet die Mehrheit verbindlich für alle.