Meinung Die Exzesse von Köln passen manch einem in den Kram

Ein ungekanntes Phänomen, ein in dieser Dimension nicht zu erwartender Ausbruch von Gewalt — dies mag man der Polizei zugutehalten. Als Erklärungsansatz dafür, dass ihr in der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof die Lage außer Kontrolle geriet.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Das waren Exzesse, die man allenfalls vom Tahrir-Platz in Kairo kannte, wo es am Rande der Massenproteste 2013 auch Vergewaltigungen gegeben hatte. Eine Frechheit war indes, dass die Polizei noch Neujahr vermeldete, dass sich die Einsatzlage nach der „ungeplanten Feierpause“ (gemeint war die Räumung des Bahnhofsvorplatzes) entspannt gestaltet habe. Der aus Opfersicht katastrophale Einsatz wird gewiss noch ausführlich aufgearbeitet werden.

Bedrückender ist freilich der Blick in die Zukunft. Eher hilflos mutet da der Plan von Kölns Oberbürgermeisterin Reker an, man wolle noch vor dem Straßenkarneval Verhaltensregeln für Mädchen und Frauen veröffentlichen, damit diese besser vorbereitet seien. Und Menschen aus anderen Kulturen wolle man erklären, dass der Karneval nicht als Einladung im Sinne von sexueller Offenheit zu verstehen sei. Wer bitteschön glaubt, dass die entfesselte Männermeute es für legal hielt, mit Feuerwerkskörpern in die Menschenmenge zu schießen, Frauen sexuell zu belästigen oder zu berauben? Aufklärung hilft da nicht. Nur Strafverfolgung. Und im Karneval: Prävention — durch viele Einsatzkräfte und auch durch Videokameras.

Dass die Taten nach Zeugenangaben von Männern aus dem nordafrikanisch-arabischen Raum begangen wurden, verlegt das Geschehen noch einmal auf eine andere Ebene. Sie ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die nur darauf warten, ein neues Argument in der Flüchtlingsfrage zu haben. Leute wie AfD-Vize Gauland, der die Flüchtlingskrise unlängst als Geschenk für seine Partei bezeichnet hatte, werden das genüsslich ausschlachten. Im Internet wird schon von Selbstjustiz und Bürgerwehr gefaselt. Umso wichtiger ist, dass bei der Aufklärung der Gewaltexzesse nichts verschwiegen wird. Und dass die Polizei schnelle Ermittlungserfolge erzielt.

Noch ist nichts Genaues über die Täter von Köln bekannt. Doch egal, welcher Herkunft sie sind — wichtig ist, dass sie bestraft werden. Die Vorfälle jetzt als Argument in der Flüchtlingspolitik zu instrumentalisieren und die Stimmung gegen diejenigen aufzuheizen, die vor dem Krieg geflohen sind, ist eklig. Und doch wird genau das passieren.