Die Genossen suchen die Offensive
Die SPD droht in Nordrhein-Westfalen mit Neuwahl
Die rund 13 Millionen Wahlberechtigten in NRW sollten sich so langsam mit dem Gedanken vertraut machen: Die Wahrscheinlichkeit einer Neuwahl noch vor der Sommerpause ist nun sehr hoch. Nach Monaten der Zurückhaltung und des Lavierens ist nun offenkundig die SPD soweit, diesen Weg zu gehen. Sie will aus der Defensive herauskommen und dreht den Spieß um: Mit der Drohung, die SPD werde Neuwahlen beantragen, sollte die CDU auch gegen den Etat 2011 vor das Landesverfassungsgericht ziehen, setzt sie der Opposition die Pistole auf die Brust.
Die CDU kann nun nicht mehr kneifen, hat sie doch ihre derzeit laufende Klage gegen den Nachtragsetat 2010 und die völlig unzulängliche Reaktion der Landesregierung darauf ausgiebig und zu Recht als Erfolg gefeiert. Der neuerliche Gang nach Münster zum Landesverfassungsgericht ist bei der Union schon fest eingeplant. Geht sie ihn nun nicht, erscheint sie als feige. Geht sie ihn, beantragt die SPD Neuwahlen. Dann muss die CDU mitstimmen, will sie nicht unglaubwürdig erscheinen.
Die günstigen Umfragewerte und die stetig steigenden Popularitätswerte der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erleichtern den Genossen den Schritt, der seit Monaten in der Staatskanzlei erwogen wird. Bisher stand die Fraktion, in der bei einer Neuwahl eine Reihe von Abgeordneten um ihre Rückkehr bangen muss, auf der Bremse. Umso gewichtiger ist nun das klare Signal von Fraktionschef Römer zu bewerten.
Aber vor allem ist es die Angst, als Getriebener der CDU und als Verlierer vor Gericht in eine Neuwahl gehen zu müssen, die die SPD antreibt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass das Landesverfassungsgericht nicht nur den Nachtragsetat 2010, sondern auch den Etat 2011 als unrechtmäßig geißelt, ist hoch. Mit dem richterlichen Stempel einer Schuldenkönigin könnte Kraft kaum Wahlkampf machen.
Indem sie die CDU beim Wort nimmt, will die SPD ihre Konkurrenz also überrumpeln. Die zentrale Auseinandersetzung um die Finanzpolitik und die immense Neuverschuldung wird sie aber nicht vermeiden können. Doch die Genossen wollen den Takt selbst vorgeben. Auf die Reaktion aus der CDU darf man gespannt sein.