Sterbehilfe - Das Dilemma der Ärzte
Zwischen abstraktem Berufsethos und konkretem Leiden
Die Wende kommt nicht mit einem Knall. Vielmehr vollzieht sie sich in sprachlichen Nuancen: Künftig sollen Ärzte Entscheidungsfreiheit erhalten, Todkranken in Einzelfällen Hilfe zum Sterben zu geben. Die Konsequenzen sind dennoch weitreichend — für die Patienten, aber insbesondere für die Mediziner.
Um es klarzustellen: Die Ärztekammer will nicht die aktive Sterbehilfe einführen, bei der Ärzte gezielt den Tod eines Patienten herbeiführen. Dies bleibt in Deutschland verboten.
Die Änderungen betreffen vielmehr die Beihilfe zum Suizid. Und die ist in Deutschland nicht strafbar.
Allerdings gab die Kammer bisher eine klare moralische Leitlinie für diese Fälle vor: Danach widersprach die Mitwirkung am Suizid dem ärztlichen Ethos. Jeder behandelnde Arzt, der von einem verzweifelten Patienten um diese Hilfe gebeten wurde, konnte sich darauf berufen.
Nun aber soll den Medizinern eine Hintertür geöffnet werden: Ohne gegen Standesregeln zu verstoßen, sollen sie sich künftig etwa dafür entscheiden können, eine Überdosis Schlaftabletten auf den Nachttisch zu stellen, die der Patient dann selbstständig schluckt.
Für den Todkranken bringt dies die Erlösung von unvorstellbarem Leiden. Der Arzt hingegen wird mit einer schwierigen Entscheidung allein gelassen. Sein Dilemma: Auch wenn sein ärztliches Können an Grenzen gestoßen ist, bleibt der Kern seines Berufsethos, Leben zu erhalten — und nicht, es beenden zu helfen.
Seine Entscheidung ist auch deshalb so schwierig, weil die Motive des Patienten nur selten eindeutig sind. Wie frei war er bei seiner Entscheidung wirklich?
Hinzukommen der zunehmende Kostendruck im Gesundheitswesen und die steigende Arbeitsbelastung für Ärzte und Pflegekräfte. Wie frei kann ein Mediziner in einem solchen Umfeld bei seiner eigenen Entscheidung sein?
Anstatt die Ärzte in ein solches Dilemma zu stürzen, sollten ihnen bessere Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, Leiden zu lindern, Todkranke auf ihrem letzten Weg zu begleiten und ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Das kostet zwar Geld. Aber es kann nicht nur Ärzte vor einer unabänderlichen Entscheidung bewahren, sondern auch Patienten.