Kommentar Die Wahlen im Osten: Ein nachgeholtes Erdbeben

Meinung | Berlin · Die Rechtspopulisten der AfD gewinnen in den neuen Bundesländern deutlich dazu. Die Konsequenzen werden sich in Grenzen halten – auch, weil das Ergebnis nicht das erste seiner Art ist.

Michael Kretschmer, Ministerpräsident von Sachsen und seine Lebensgefährtin Annett Hofmann bei der CDU-Wahlparty der Landtagswahl in Sachsen.

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Die Wahlergebnisse in Brandenburg und Sachsen wären eigentlich Anlass für ein politisches Erdbeben im Bund: Die Parteien der großen Koalition haben erneut massiv verloren, sind, wie die SPD in Sachsen, teilweise sogar regelrecht marginalisiert. Und die rechtspopulistische AfD ist überall zweitstärkste Kraft geworden, auch auf Kosten der Linken. Sie ist die neue Volkspartei des Ostens. Das müsste zu Konsequenzen für das Regierungsbündnis in Berlin führen. Und zu einer Änderung der Politik in und gegenüber den neuen Ländern.

Doch das Erdbeben wird ausbleiben. Schon, weil die bisher regierenden Parteien in beiden Ländern nicht das Ministerpräsidentenamt verlieren, und das ist für sie das Wichtigste. Allerdings wird die Regierungsbildung deutlich komplizierter werden. Zudem: Im Grunde haben Brandenburg und Sachsen nur nachgeholt, was woanders längst stattgefunden hat. Die AfD erreichte im Osten schon vorher Ergebnisse von mehr als 20 Prozent. Und die Groko hat bundesweit bei fast allen Landtagswahlen in ähnlicher Größenordnung verloren, sogar in Bayern. Das liegt daran, dass dieses Regierungsmodell sich überlebt hat. Und daran, dass praktisch alle wichtigen Akteure der Koalition das erste Jahr komplett mit  Machtspielchen vergeudet haben. Wenn es überhaupt eine Konsequenz für die Groko gibt, dann lautet sie: Bringt es nun wenigstens ordentlich zu Ende. Gebt den Bürgern das Gefühl, in unsicheren Zeiten stabil regiert zu werden.

Was den Osten angeht, so wird jetzt diskutiert werden, was falsch gelaufen ist mit der Einheit, und was man anders machen muss. Das ist jedoch eine müßige Debatte. Mehr Milliarden an Strukturhilfen und Sozialtransfers als bisher in die neuen Länder geflossen sind, geht gar nicht. Nein, im Osten hat sich die von Wiedervereinigung gebeutelte Generation der Wendeverlierer von der Demokratie bundesrepublikanischer Prägung verabschiedet. Wenn sie diese Demokratie überhaupt je verinnerlicht hatte. Und rechte Populisten, meist aus dem Westen, kochen darauf ihr Süppchen.

Sie erreichen Werner Kolhoff unter politik@wz-plus.de.

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Ein Viertel der Wähler, darunter viele bisherige Nichtwähler, ist bereit, offene Rassisten und Rechtsradikale zu unterstützen. Dahinter stecken emotionale Gründe, die man nachvollziehen kann, die aber weder eine ausreichende Erklärung noch eine Entschuldigung sind. Man wird diese Leute kaum zurückgewinnen. Zum Glück ist es nur eine Minderheit. Die Politik im Bund und in den betroffenen Ländern sollte daher stärker auf die jungen, weltoffenen und gut gebildeten Menschen in den Metropolen wie Leipzig, Dresden oder Rostock setzen. Ihre Zahl nimmt zu, auch durch beruflich erfolgreiche Rückkehrer. Sie sind die Zukunft.