Meinung Die Regierung muss Handlungsfähigkeit zeigen
Aus Transitzonen, Einreisezentren und Massengefängnissen mach — Aufnahmeinrichtungen. An begrifflicher Phantasie mangelt es im Streit der Großkoalitionäre wahrlich nicht. Wohl aber an der Umsetzung geeigneter Lösungen.
Oder glaubt jemand ernsthaft, dass sich durch den lauen Kompromiss des Gipfels vom Donnerstag alles in Wohlgefallen auflöst?
Allein im vergangenen Monat kamen offiziell 181 000 Asylbewerber nach Deutschland. Ungefähr so viele wie im gesamten letzten Jahr. Die Regierungs-Prognose von 800 000 ist schon jetzt erreicht; eine Million werden es sicher. Aber Union und SPD zanken wochenlang darüber, wie man mit den Menschen aus vermeintlich oder tatsächlich sicheren Herkunftsländern klar kommt. Nur zur Erinnerung: Der Anteil der Balkan-Flüchtlinge lag zuletzt deutlich unter drei Prozent. Schon das zeigt die Absurdität der ganzen Debatte.
In der Psychologie nennt man so etwas eine Ersatzhandlung. So etwas kann auch zwanghaft werden. Um Missverständnissen vorzubeugen: Natürlich sollen Flüchtlinge, deren Asylbegehren offenkundig unbegründet sind, so schnell wie möglich wieder das Land verlassen. Aber dass sich damit auch die Flüchtlingskrise verflüchtigt, wie es vor allem die CSU glauben machen will, ist doch eine sehr naive Vorstellung. Im September hatte der Bund zugesichert, zusätzlich 40 000 Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge zu schaffen. Was ist konkret daraus geworden? Wie steht es um das politische Versprechen, die Asylverfahren auf eine Dauer von drei Monaten zu begrenzen? Und wie verhält es sich eigentlich mit der dringend notwendigen Personalaufstockung im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge?
Offenbar hakt es hier überall noch gewaltig. Anstatt sich auf Nebenkriegsschauplätzen aufzureiben, sollte sich Schwarz-Rot besser auf längst getroffene Beschlüsse besinnen. Regelmäßige Gipfel zum Stand ihrer Verwirklichung und damit auch eine kontinuierliche Information der Öffentlichkeit wären allemal hilfreicher, als ständig eine neue Sau durchs Dorf zu treiben. Es geht um politische Handlungsfähigkeit. Um schnellere Asylverfahren und eine zügige Integration. Union und SPD haben hier kaum etwas zu gewinnen. Aber sie können deutlich verlieren, wenn sich der Eindruck „Die schaffen das nicht“ verfestigt. Nutznießer wären politisch radikale Kräfte, denen man die Zukunft des Landes besser nicht anvertraut