Meinung Ein brandgefährliches Spiel an der Meerenge

Meinung · Die Lage am Asowschen Meer ist brandgefährlich. Jederzeit kann daraus ein heißer, direkter Krieg zwischen Russland und der Ukraine werden, der Europa nicht unberührt ließe. Auch wenn es keine direkten Beistandspflichten für Kiew gibt.

Werner Kolhoff

Foto: k r o h n f o t o . d e

Es kann aber auch bei einem „Zwischenfall“ bleiben, wie er überall auf der Welt schon mal passiert. Dann gibt es, wenn die erste Aufregung sich gelegt hat, eine internationale Vermittlung, die Matrosen kommen wieder frei und man findet irgendeinen Modus, um eine Wiederholung zu vermeiden.

Wie die Sache diesmal ausgeht, ist keineswegs klar. In jedem Fall sind Rufe nach scharfen Maßnahmen gegen Russland, seien sie militärischer oder nur politisch-wirtschaftlicher Art, sehr verfrüht. Dazu sind Hergang und Motivlage zu unübersichtlich. Möglich, dass Wladimir Putin den Konflikt jetzt absichtlich herbeigeführt hat. Zum Beispiel, weil daheim die Rentner sauer sind über sinkende Alterseinkommen und die Zustimmungswerte des Präsidenten in den Keller rauschen. Da hilft ein bisschen Krieg immer, das ist seine Methode seit langem. Kann so sein, muss nicht so sein. Die russische Propaganda trommelt jedenfalls mächtig gegen die angebliche ukrainische Grenzverletzung an der Meerenge von Kertsch, die nur dadurch entsteht, dass man sich zuvor die Krim völkerrechtswidrig einverleibt hat.

Auf der andere Seite: Auch die Zustimmungswerte von Petro Poroschenko sind im Keller, und der Mann steht in der Ukraine vor Wahlen. Dass er wegen des Zwischenfalls zunächst versucht hat, sofort für 60 Tage das Kriegsrecht zu verhängen, was eine Verschiebung der Wahl bedeutet hätte, lässt aufhorchen. Und lässt fragen, warum seine Marineschiffe an diesem Tag über diesen Kurs die Meerenge passieren wollten. Hat hier vielleicht der eine gezündelt und der andere nur darauf gewartet? Kann so sein, muss nicht so sein.

Der Westen tut jedenfalls gut daran, sich als ehrlicher Makler anzubieten. Namentlich betrifft das Angela Merkel und Emmanuel Macron als Vertreter der Garantiemächte des Minsker Abkommens. Sie müssen versuchen, mit den Streitparteien eine Regelung zu finden, die die grundsätzliche Frage der Krim-Annexion ausklammert, den russischen Hoheitsanspruch über die Meerenge ebenso und allen Schiffen, auch der ukrainischen Marine, dort eine ungehinderte Passage ermöglicht. Falls nötig unter internationaler Kontrolle.

Wenn Putin sich darauf nicht einlässt, ist eine andere Lage entstanden. Dann will er nach dem Krieg in der Ost-Ukraine eine zweite Front aufmachen, will Mariupol wirtschaftlich aushungern und das ganze Asowsche Meer kontrollieren. Dann ist in Deutschland und Europa nicht mehr über ein langsames Ende der Sanktionen zu reden. Sondern über neue.