Einfach heißt noch lange nicht gerecht

Paul Kirchhof und sein radikales Steuermodell

Der Hohn eines Gerhard Schröder, der ihn einst als den „Professor aus Heidelberg“ und damit als weltfremden Wissenschaftskauz verspottete, konnte Paul Kirchhofs Selbstbewusstsein nichts anhaben. Wie sonst könnte er sein neu aufgelegtes Steuermodell mit nichts weniger als der französischen Revolution oder der Idee der Menschenrechte in eine Reihe stellen?

Nun erscheint es tatsächlich reizvoll, das Steuersystem radikal zu vereinfachen, für jedermann nachvollziehbar zu machen. Wenn Kirchhof dann auch noch verspricht, dass das Ganze für den Staat aufkommensneutral ausgeht, der Fiskus also nicht weniger einnimmt als bisher, so ist diese Vereinfachung ja schon ein Wert an sich. Millionen Steuerzahler hätten nicht mehr so viel Last mit ihrer jährlichen Erklärung. Allenfalls den Steuerberatern käme das ungelegen. Und den „Steuergestaltern“, die ihre Mandanten mit Ratschlägen zu Steuersparmodellen wie Investitionen in exotische Schiffs- oder Immobilienfonds versorgen.

Doch die Sache hat einen Haken. Der liegt darin, dass das Umkrempeln des Steuersystems die Karten völlig neu mischt. Es wird die Gewinner geben, denen zwar die Steuersparmodelle weggenommen werden, die aber dafür statt eines Spitzensteuersatzes von 45 Prozent nur noch mit 25 rechnen müssen. Oberhalb der Grenze von 20 000 Euro wird also der Chefarzt genauso besteuert wie die Krankenschwester. Da werden sich viele Klein- und Mittelverdiener, denen ja auch noch Pendlerpauschale und steuerfreie Nachtzuschläge gestrichen werden sollen, als Verlierer fühlen.

Die Absenkung des Steuersatzes auf einheitlich 25 Prozent führt zunächst einmal bei all jenen, die bisher einen höheren Satz schultern müssen, zu Einsparungen. Aus der Perspektive des Staates entspricht das gewaltigen Steuerausfällen, die er sich durch das Streichen aller möglichen Steuersubventionen wieder hereinholen müsste. Steuervergünstigungen, die ja immer eine reale Grundlage haben, auf die der Steuerzahler ein legitimes Recht zu haben glaubt. Da wird es Unzählige geben, die entweder Verlierer sind oder sich so fühlen. Gegen deren Widerstand eine solche Reform durchzusetzen, wäre für jede Regierung ein Husarenritt — beschönigend gesprochen. Oder offener: ein politischer Selbstmord.