Meinung Hambacher Forst - Hauptsache handeln?

Düsseldorf · Mit einem massiven Polizeiaufgebot wurde am Donnerstag der Hambacher Forst geräumt. Aber zu welchem Preis?

Polizisten tragen eine Umweltaktivistin weg. Mit einem massiven Polizeiaufgebot haben die Behörden im Braunkohlerevier Hambacher Forst damit begonnen, die Baumhäuser der Umweltaktivisten zu räumen.

Foto: dpa/Christoph Reichwein

Wenn nichts Unvorhergesehenes mehr passiert, wird die Polizei in NRW den Einsatz im Hambacher Forst in den kommenden Tagen als Erfolg feiern. Aus Einsatzsicht mag er das sein: Gerade noch rechtzeitig vor der befürchteten Aktivierung der großen Extremistenmassen im Oktober werden die schwer zugänglichen Waldbehausungen geräumt sein. Damit ist den Aktivisten eine Protestbasis genommen und ganz nebenbei erfolgreich nachgewiesen, dass die Staatsmacht jederzeit handlungsfähig ist. Aber, bitte schön, zu welchem Preis?

Brandschutzfragen einen Monat vor Rodungsbeginn vorzuschieben, obwohl die Baumhäuser teils seit Jahren elektronisch ansehnlich ausgerüstet auch bei sommerlicher Hitze in den Bäumen des Forstes hängen, mag kurzfristig clever sein, ist es aber nicht. Bauministerin Ina Scharrenbach wird das ahnen - und hat sich deshalb gestern beim Pressetermin in Düsseldorf gerne von ihrem Staatssekretär vertreten lassen. Ganz wohl ist eben allen Beteiligten nicht.

Olaf Kupfer

Foto: Sergej Lepke

In den Augen der Protestler macht sich die NRW-Regierung auf diese Weise in vorauseilendem Gehorsam zum Erfüllungsgehilfen des RWE-Konzerns. Und nutzt eine rechtssichere Finte, die viele als Provokation verstehen. Waren Protest und Widerstand gestern noch überschaubar, wird das nicht das Ende sein. Was man jetzt als Erfolg feiert, könnte noch böse zurückschlagen.

Zum Verständnis: Falsch ist nicht, das Gebiet zu räumen, bevor eine Rodung beginnt, für die der Energieriese RWE jedes gesetzliche Recht erworben hat. Falsch aber ist in dem Moment, in dem Politiker und gesellschaftliche Gruppen zusammen organisiert über einen Kohlekompromiss und einen womöglich früheren Ausstieg aus der Braunkohle verhandeln, nie den Eindruck erweckt zu haben, politisch verantwortlich Gespräche mit allen Beteiligten zu suchen. Sondern vermeintlich trickreich die Eskalation zu befördern. Heiligt der Zweck wie im Fall Sami A. jedes umstrittene Mittel?