Meinung Faire Klimapolitik noch nicht in Sicht

Eigentlich ist das eine beklemmende Nachricht: Zehntausende Menschen haben am Samstag im Rahmen der „Rise for Climate“-Kampagne für einen entschlossenen Kampf gegen den Klimawandel demonstriert. Zehntausende — bei knapp 1000 Demonstrationen in etwa hundert Ländern?

Foto: Sergej Lepke

Hätte es sich um Millionen gehandelt, wäre das ein größerer Anlass zur Zuversicht gewesen. Denn der Druck auf die Regierungen kann gar nicht groß genug sein. Die größte Beteiligung gab es noch in Frankreich. Dort hatten zeitgleich 700 Wissenschaftler des Landes in einem Appell auf der Titelseite der Zeitung „Libération“ zu schnellen Maßnahmen gegen den fortschreitenden Klimawandel aufgerufen, verbunden mit der Bekräftigung, dabei handele es sich um „ein politisches Ziel ersten Ranges“.

Man muss beim Klimawandel nicht mit jedem Alarmismus hausieren gehen. Aber wenn die deutschen Waldbesitzer nach Stürmen und Hitzesommer von einer Jahrhundertkatastrophe sprechen, wenn Rebsorten aus Südeuropa inzwischen immer weiter nördlich gedeihen, dann sollte auch dem Letzten dämmern, dass die Folgen des Klimawandels keineswegs nur da verbleiben, wo sie am wenigsten verursacht werden: in den Entwicklungsländern.

Von all dem war in Bangkok bei der letzten großen Klimarunde vor dem nächsten Klimagipfel Anfang Dezember in Kattowitz zu wenig zu merken — und das nicht nur, weil die USA trotz ihres angekündigten Ausstiegs aus dem Klimaabkommen munter weiter als großer Verhinderer auftraten. Besonders fatal ist, dass noch immer keine Klarheit herrscht, wie die Industrienationen die notwendige finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer für den Umgang mit den Klimafolgen sichern wollen. Dabei wäre gerade das ein Gebot politischer Weitsicht: Es ist inzwischen völlig unstreitig, dass der Klimawandel die Migrationsbewegungen weltweit massiv verschärfen wird.

Ende August hat der „Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen“ (WBGU) der Bundesumweltministerin ein Papier mit vier Initiativen für eine faire Klimapolitik überreicht. Es umfasst einen schnellen Strukturwandel für die Kohleregionen, Rechtsschutz und würdevolle Migrationsmöglichkeiten für klimageschädigte Menschen sowie die Einrichtung von Transformationsfonds für gerechten Strukturwandel. Die Bundesregierung wäre gut beraten, das Papier nicht in der Versenkung verschwinden zu lassen.