Mehr als ein Anfang war es nicht
Wer jahrelang miterlebt hat, wie oft, wie begeistert und wie hoffnungsvoll die SPD ihre Führung ausgetauscht hat und neu gestartet ist, hat seine Unschuld verloren. Nun also: Sigmar Gabriel. Sein Einstand auf dem SPD-Parteitag in Dresden war tadellos.
Das gilt für Analyse, Auftritt, Gesten. Platz da, hier betritt ein Energiepaket die politische Arena. Vielleicht verleiht er der SPD Flügel. Vielleicht.
Ein wichtiger Gabriel-Satz wird leicht überhört. Er lautete: "Auf euch kommt viel Arbeit zu." Über Wohl und Wehe der SPD als Partei wird nicht nur im fernen Berlin entschieden, sondern vor Ort. Die SPD hat für Außenstehende, für junge Leute zumal, bisweilen die Anmutung eines Röhrenradios im Internet-Zeitalter.
Wenn es stimmt, was Erhard Eppler über die Zeit nach dem Godesberger Programm gesagt hat - "wir haben die Fenster geöffnet" -, drängt sich 50 Jahre später eine Lehre auf: Zugluft kann nicht schaden.
Ob die SPD den Anschluss findet, hängt davon ab, ob sie die soziale Gerechtigkeit neu - und vor allem glaubwürdig - definiert. Ob sie als Opposition Tritt fasst, hängt wiederum von den handelnden Personen ab.
Man ahnt die Differenzen, die Gabriel, Generalsekretärin Andrea Nahles und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier haben werden. Die Frage ist nicht, ob sie sich in die Quere kommen, sondern ob sie das Beste daraus machen. Die Basis wird sich den Umgang abgucken - so oder so.
Welch eine Ironie: Beide Seiten, SPD auf der einen, Union und FDP auf der anderen, wollen vor der NRW-Wahl nicht Farbe bekennen. Schwarz-Gelb schiebt soziale Grausamkeiten auf und die SPD ihr Konzept einer Steuerreform.
Wobei: Die inneren Widersprüche der Union sind gewaltig. Nach der Großen Koalition wird Angela Merkel parteiintern eine viel größere Integrationsleistung abverlangt werden. Und die SPD wird sich in der Konkurrenz zur Merkel-CDU definieren, ist doch klar!
Die Mai-Wahl kommt als Test - eine Parallele zu 1959/60 - zu früh. Indirekt hat Gabriel ein NRW-Dilemma ausgesprochen: Auf die Linkspartei kann man nicht aufbauen, die Grünen sind keine sichere Bank mehr. Hinter "Godesberg" steckte damals ein Angebot an die FDP. Auch heute muss sich die SPD aufmachen, Partner zu suchen.