Robert Enke: Chancenlos auf zwei Ebenen

Was muss es für eine unglaubliche Kraft gekostet haben, über sechs Jahre gleichsam auf zwei Ebenen zu leben. Auf der einen Ebene der erfolgreiche, ehrgeizige Spitzensportler, der im Fußball ein Idol für Millionen ist, ein Nationalspieler mit weltmeisterlicher Perspektive.

Und auf der anderen Seite ein verletzlicher, sensibler junger Mann, der seit Jahren mit einer schweren psychischen Krankheit kämpft, von der nur seine engste Umgebung weiß.

Wie kommt ein Mensch mit diesen zwei Ebenen klar? Wie stark muss ein solcher Mensch eigentlich sein, damit seine Mannschaftskollegen im Club und der Nationalmannschaft nichts bemerken? Die ihn für eine menschliche Stütze halten, obwohl Robert Enke selbst die Unterstützung brauchte, die er anderen selbstlos zur Verfügung stellte.

Wie viele Dinge muss dieser nachdenkliche und zurückhaltende Mann allein mit sich ausgemacht haben? Auch die endgültige Entscheidung, seinem Leben ein Ende zu setzen. Und diese Entscheidung auch noch Tage lang unbemerkt mit sich herumzutragen. Der Freitod von Robert Enke ist deshalb vor allem eine Geschichte des Umgangs mit der Depression in diesem Land. Und es ist auch die Geschichte vom Innenleben des Profifußballs. Robert Enke war nach dem Tod seiner Tochter Lara, die sein Lebensmittelpunkt war, schon am Ende seines Lebens angelangt. Die Familie und der Fußball gaben ihm die Kraft zurück. Und zugleich auch den Raum, sich öffentlich nicht bekennen zu müssen.

Aber da war auch die Angst vor dem Ende der Karriere. Wie bei Sebastian Deisler, der auf dem Boulevard zerrieben wurde. Aber Deisler lebt. Und Robert Enke nicht mehr. Niemand erreichte ihn mehr, Enke starb in Einsamkeit. Unvorstellbar für alle, die mit diesem Menschen zu tun hatten. "Ich will den Fußball nicht kleinreden", hat er gesagt, "aber es ist eben nur Fußball". Was für ein großer und kluger Satz.

Die Frage nach dem Warum wird den Fußball begleiten, sagte Präsident Theo Zwanziger, und mahnte Zeit zur Trauer an. Es ist uneingeschränkt richtig, das Länderspiel in Köln abzusagen. Zwanziger nannte das "alternativlos". Weil der Mensch Robert Enke im Mittelpunkt zu stehen habe. Endlich, aber zu spät.