Noch einmal den Mauerfall feiern, aber...
Die neue Mauer in Berlin ist bunt, aus Styropor und soll fotogen einstürzen. Wir feiern am Montag hoffentlich, trotz des ernsten Hintergrunds, unverkrampft und fröhlich den Jahrestag des echten Mauerfalls.
Auch wenn vor allem im Westen mancher der feierlichen Vergangenheitsbewältigung überdrüssig ist: Am Montag ist sie mit Gästen aus aller Welt nochmal angebracht. Denn das, was Angela Merkel den glücklichsten Tag der jüngeren deutschen Geschichte nennt, hat auch nach 20 Jahren unsere wirklich ungeteilte Aufmerksamkeit verdient.
Wer erlebte, wie menschenunwürdig die DDR mit Leuten umging, ihnen das eigenständige Denken und Handeln abnahm und sie im Land einsperrte, der muss sich einfach freuen. Allerdings ist es gerade aus diesem Blickwinkel schwer zu verstehen, wenn Ex-DDR-Bürger der Nostalgie verfallen, sich gar ein entmündigtes aber berechenbares Leben im Unrechtssystem zurückwünschen.
Auch deshalb sollten wir nach dem Spektakel möglichst rasch zu normalen Verhältnissen finden. Signalworte wie Aufbau-Ost oder auch Aufbau-West gehören genauso wie der steuerliche "Soli" aus unserem Wortschatz verbannt.
Bald kann sich nahezu die Hälfte der deutschen Bevölkerung altersbedingt nicht mehr an die Zeiten des eisernen Vorhangs erinnern. Folglich sollten wir in Politik und Gesellschaft auch keine Gräben zwischen Ost und West mehr vertiefen. Künftig weniger zurückblickend agieren und stattdessen optimistisch an einer gemeinsamen Zukunft arbeiten, wäre besser.
Sonderbar mutet es da an, dass ausgerechnet kurz vor dem Jahrestag des Mauerfalls die NRW-Linke den Versuch eines neuen Mauerbaus wagt. Sie fordert anlässlich der Landtagswahl nicht nur die 30-Stunden-Woche für alle bei vollem Lohnausgleich, sondern gleich einen grundsätzlichen Systemumbau.
Ihre Ideen ließen sich nur umsetzen, wenn sich das gesamte Deutschland aus der Weltwirtschaft und der EU zurückzöge, also eine neue Art zumindest symbolischer Mauer um sich baute.
Den Menschen würde man damit keinen Gefallen tun: Sie wären zwar - allerdings zwangsweise - vielleicht gut behütet, aber statt "Reichtum für alle", so ein Slogan der Linken, drohte eher "Armut für alle".