NRW-Kommunalwahlen Warum ohne Stichwahl ein Stück Demokratie verloren geht
Meinung | Düsseldorf · Durch die Abschaffung der Stichwahl bei Kommunalwahlen in NRW werden kleinere Parteien benachteiligt. Und auch für Wähler und Wahlsieger hat der Vorstoß Folgen. Ein Kommentar.
Verfassungsrechtler hatten gewarnt, doch die schwarz-gelbe Mehrheit im NRW-Landtag ließ sich nicht abhalten: Bürgermeister oder Landrat wird in Zukunft, wer im ersten und dann einzigen Wahlgang die meisten Stimmen bekommt. Union und FDP begründen die Abschaffung der Stichwahl bei Kommunalwahlen mit der sinkenden Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang und den einzusparenden Kosten. Die Opposition hingegen sieht ein machtpolitisches Manöver, weil zuletzt bei Stichwahlen viele CDU-Kandidaten unterlagen. Sie will das Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster anfechten. Und hat die besseren Argumente auf ihrer Seite. Dabei geht es um die demokratische Legitimation des zu wählenden Kandidaten.
Kleinere Parteien werden bei einer Abschaffung der Stichwahl benachteiligt. Wenn deren Anhänger damit rechnen müssen, dass ihr Kandidat chancenlos ist, werden sie aus taktischen Gründen auf die Wahl ihres eigentlichen Wunschkandidaten verzichten, um ihre Stimme nicht zu „verschenken“. So wählen sie dann das „kleinere Übel“ der Kandidaten mit den größten Erfolgsaussichten.
Bei einem zweistufigen Verfahren mit Stichwahl hingegen kann der Anhänger einer Partei mit Außenseiterchancen seinen Favoriten wählen. Ohne befürchten zu müssen, dass seine Stimme verloren ist. Er kann dann im zweiten Wahlgang immer noch einen Kandidaten wählen, für den der von ihm favorisierte Bewerber eine Wahlempfehlung gibt. Ohne Angst vor einer Wertlosigkeit der eigenen Stimme kann er so seinem Favoriten zunächst den Rücken stärken. Und dann immer noch im zweiten Wahlgang mitreden, um wenigstens seine Zweitpräferenz zu unterstützen.
Der in nur einem Wahlgang gewählte Kandidat kann demokratisch äußerst schwach legitimiert sein. Wenn zum Besipiel fünf Kandidaten bei einer Kommunalwahl antreten, kann es leicht sein, dass derjenige ins Amt kommt, der bloß 30 Prozent oder weniger der abgegebenen Stimmen auf sich vereint. Der Rest verteilt sich auf die anderen Kandidaten.
Das ist keine Theorie, sondern passiert genau so in zahlreichen ersten Wahlgängen. Was in Zukunft (ohne Stichwahl) bedeutet: 70 Prozent haben nicht für den Kandidaten gestimmt. Die große Mehrheit wollte ihn oder sie gerade nicht. Ein Makel, mit dem es sich kaum gut „regieren“ lässt. Ein Makel, der dem Amtsträger bei allen möglichen Gelegenheiten entgegen gehalten werden kann. Der Kandidat hingegen, der sich in zwei Wahlgängen und damit auch bei der Stichwahl gegen den Zweitstärksten durchsetzt, ist viel stärker demokratisch legitimiert.