Obama, der Scherben-Einsammler
Es war tatsächlich eine große Rede. Barack Obama fand in Kairo nicht nur einen Ton, den vor ihm noch kein amerikanischer Präsident im Dialog mit der muslimischen Welt gewagt hatte.
Seine Appelle, den "Kreislauf des Misstrauens" zu beenden und nicht "Gefangene der Vergangenheit" zu bleiben, waren überzeugend, weil Obamas eigene Biographie seinen Aussagen Glaubwürdigkeit verleiht.
Obamas Beteuerungen, Amerika sei kein "selbstsüchtiges Empire", und seine Kritik an Kolonialismus und amerikanischen Verbrechen der Vergangenheit waren der Versuch, die Scherben der unseligen Bush-Jahre einzusammeln. Und auch hier wirkte Obama überzeugend, weil er doch selbst als Person alle Klischees vom rücksichtslosen Weltpolizisten so gründlich zu dementieren scheint.
Natürlich war diese Rede auch ein Spagat. Zum einen wollte der US-Präsident vor allem die "arabische Straße" erreichen, in der die antiamerikanischen Ressentiments durch Jahrzehnte bitterer Erfahrung des Nahost-Konflikts besonders verbreitet sind. Und zugleich musste er sich an die arabischen Herrscher wenden, die ihm - wie Ägyptens Präsident Mubarak - ein Podium für seine Demokratie-Appelle lieferten und zugleich doch die wichtigste Stütze der US-Politik im Nahen Osten sind. Der US-Präsident beließ es hier bei eher beschönigenden Floskeln, die den Autokraten am Golf kaum schlaflose Nächte bereiten dürften.
Die Deutlichkeit aber, mit der Obama die israelische Siedlungspolitik kritisierte, ist nicht nur ein neuer Ton, sondern tatsächlich schon ein vorsichtiger Kurswechsel im Weißen Haus. Niemand, schon gar nicht Obama, aber wird glauben, es genüge, den Eingeborenen ein paar hübsche verbale Perlen zu präsentieren, um all das Vertrauen zurückzugewinnen, das eine ganze Phalanx von Vorgängern verspielt hatte.
Sich von den Gespenstern dieser Vergangenheit zu befreien, ist ein erster Schritt. Den Nachweis, dass sich die US-Politik in der Substanz geändert hat, den muss Obama jedoch noch erbringen. Das scheint ungleich schwieriger als eine zugegeben erstaunlich gute Rede.
Aber ein Anfang, der vorsichtige Hoffnung weckt, ist immerhin gemacht. Und das ist nicht wenig in einer Weltgegend, in der bislang alles zu finden ist, nur nicht Hoffnung.