Meinung Realpolitisches Wettrüsten
Die einen rüsten auf (der ÖPNV in NRW), die anderen feiern sich für die Erfolge, die ihre Aufrüstung zeitigt (die Deutsche Bahn). Unter dem Strich steht: Alles, was mit öffentlicher Beförderung zu tun hat in dieser Republik, wird in naher Zukunft komplett videoüberwacht sein — und mindestens 72 Stunden lang abgespeichert.
90 Prozent der Züge im Verkehrsverbund VRR sind schon jetzt mit Kameras ausgestattet. Und: Alles, was noch erneuert werden muss, hat die neue Technologie an Bord.
Schon heute werden auch bei der Deutschen Bahn weit mehr als 80 Prozent der Reisendenströme per Video erfasst. Seit Anfang 2015 hat die Bahn die Zahl der Bahnhöfe mit Videotechnik um zehn Prozent auf 700 erhöht. Auch die Zahl der Videokameras wurde auf 5000 (2014: 4800) Kameras erhöht. Hinzu kommen etwa 27 000 (9000) Kameras in Zügen der Deutschen Bahn. Damit ist etwa die Hälfte aller Nahverkehrs- und S-Bahnzüge mit Videoaufzeichnung ausgerüstet.
Und es geht weiter: Am Bahnhof Ostkreuz in Berlin ist schon neueste Technologie installiert: hochwertigste Bildqualität garantiert. Bund und Bahn investieren bis 2023 rund 85 Millionen Euro in die neue Technik. Ein Brennpunkt wie der Hauptbahnhof Köln wird noch in diesem Jahr hochgerüstet — statt wie geplant 2017.
Wider die Verrohung unserer Gesellschaft? Es mag ein Wettrüsten im Angesicht des Wahnsinns und gegen die Dummheit unserer Spezies sein. Es ist ganz sicher ein rumdoktern an den Symptomen und nicht an der Wurzel des Übels, weil Gefährdung und aggressives Verhalten zuerst mit den Schieflagen unserer Gesellschaft zu tun haben, die es zeitgleich zu bekämpfen gilt. Aber: Wir sollten uns nicht beschweren, wenn wir angesichts unerhörter Dummheit nicht mehr darüber diskutieren, ob, sondern wie der öffentliche Raum überwacht wird. Der sorgsame Umgang mit den sensiblen Daten ist die Aufgabe unserer Generation. Wenigstens das könnte uns ja mal gelingen.