Rot-Grün muss sich frei machen

Am Mittwoch ist es so weit: Hannelore Kraft wird zur ersten Ministerpräsidentin in der Geschichte Nordrhein-Westfalens gewählt werden. Das ist ein großer Tag für sie und ein großer Tag für die SPD - schließlich wurde die CDU nach nur einer Legislaturperiode wieder aus der Staatskanzlei vertrieben.

Doch es ist fraglich, ob aus der neuen rot-grünen Landesregierung wirklich etwas Dauerhaftes erwächst. Denn sie hat keine eigene Mehrheit und ist auf Stimmen von anderen Parteien angewiesen.

Am Mittwoch zum Beispiel wird Kraft wohl erst im zweiten Wahlgang gewählt. Die 90 Stimmen, die SPD und Grüne im Landtag aufbieten können, reichen nicht, um schon im ersten Anlauf eine Mehrheit für die künftige Ministerpräsidentin des Landes aufzubieten.

Doch das ist kein Problem: Die Linkspartei steht zur Verfügung, macht per Enthaltung spätestens im zweiten Wahlgang den Weg frei für Kraft. Dass in dieser Fraktion DDR-Nostalgiker und Alt-Trotzkisten sitzen, die über das Grundgesetz oftmals nur höhnisch sprechen, wird nicht offen thematisiert. Es herrscht der Pragmatismus - übrigens auch bei der CDU, die am Dienstag auch einige Stimmen der Linkspartei für ihren Landtagspräsidenten Uhlenberg billigend in Kauf nahm.

Doch das kann nicht über die generelle Konstellation hinwegtäuschen: SPD und Grüne sind erst einmal auf die Zustimmung der Linken angewiesen. Sie wollen im ersten Anlauf vor allem viele Veränderungen der abgewählten schwarz-gelben Landesregierung in der Bildungspolitik rückgängig machen: Studiengebühren weg, Kopfnoten weg, Grundschulbezirke weg, Turbo-Abi als Regelfall in den Gymnasien weg. Dahinter kann sich auch die Linke als selbst erklärte Fundamentalopposition im Parlamentarismus versammeln. Doch das ist noch keine gestaltende Politik, sondern nur Vergangenheitsbewältigung.

Spannend wird es beim ersten Haushalt, den Rot-Grün spätestens im nächsten Frühjahr auf den Weg bringen muss. Da kann es angesichts der Realität nicht ohne Einsparungen vonstatten gehen. Und da wird sich zeigen: Hat eine Minderheitsregierung die Kraft, parteiübergreifend Mehrheiten zu organisieren? Das könnte klappen - wenn es vernünftige Konzepte gibt.