Das Zögern des Kanzlers in der Taurus-Frage Scholz und die Ukraine: Es wird zu schnell geurteilt
Meinung · Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lässt sich Zeit mit einer substanziellen Entscheidung zu den Taurus-Marschflugkörpern und ihrer möglichen Entsendung in die Ukraine. Vielleicht ist das ein Zögern taktischer Natur, mutmaßlich ist es begründet, vielleicht geschieht das Zögern sogar aus Gründen, die Teile der deutschen Öffentlichkeit verunsichern würden – aber öffentlich keine Rolle spielen dürfen.
Aber sicher ist vor allem eines: Scholz bewegt das wirtschaftlich starke, unter militärischen Gesichtspunkten aber berechtigt argwöhnisch betrachtete Deutschland in dieser Frage mit einer Haltung aus Maß und Mitte. Das ist bei allem Verständnis für ukrainisches Unverständnis eine Haltung, für die ihn die Mehrheit der Deutschen in zahlreichen Umfragen zur Kriegsbeteiligungsfrage schätzt – vielleicht fließt dieser demokratische Ansatz sogar auch in die Überlegungen im Kanzleramt ein.
Denn zur Wahrheit gehört ja auch, dass der Kanzler es sich nicht leicht macht: In der politischen Blase Berlins hätte er es wohl leichter, folgte er den Kiesewetters (CDU), Strack-Zimmermanns (FDP), den Hofreiters (Grünen) und Roths (SPD), die über den deutschen Verteidigungsausschuss, in dem sie sitzen, offenbar vollkommen andere Erkenntnisse haben müssen als der Kanzler selbst. Deren Haltung jedenfalls ist klar: Was da ist, muss geliefert werden, immer mehr, immer schneller. Nur mit welchem realistischen Ziel in diesem schlimmen russischen Angriffskrieg, das können auch sie nicht so recht sagen. Weil der „militärische Sieg“ der Ukraine als Absicht zwar längst normierter Sprachgebrauch ist. Realistisch ist er deswegen aber noch nicht. Die ukrainischen Streitkräfte machen bei großen Verlusten über ihre Gegenoffensive nur minimale Fortschritte. Die „New York Times“ hat unlängst errechnet, dass seit Jahresbeginn weniger als 1290 Quadratkilometer Territorium in der Ukraine zwischen den Konfliktparteien hin und her gewechselt haben. Das ist die Hälfte des Saarlands. Und es ist ein Nachweis, dass diesem völlig sinnlosen Krieg auf eine andere Art beizukommen sein wird müssen, als es die Versuche bislang hergegeben haben.