Meinung Es bleibt unfassbar

Ein 14-Jähriger soll einen Sechsjährigen getötet haben.

Foto: dpa/Stefan Sauer

Schon wieder - da muss doch etwas geschehen. Dieser Reflex mag sich einstellen bei der Nachricht, dass ein 14-Jähriger einen Sechsjährigen getötet haben soll. Ist es doch erst ein paar Monate her, dass zwei Mädchen im Alter von zwölf und 13 Jahren im Siegerland ihre zwölfjährige Mitschülerin erstachen. Solche Fälle sind natürlich Anlass für eine breite öffentliche Diskussion. Weil sie äußerst selten sind. Weil sie unfassbar sind. Weil wir Erklärungen suchen.

Immerhin wird eine unselige Facette dieser Debatte dieses Mal keine Rolle spielen: nämlich der Ruf, das Strafmündigkeitsalter zu senken. Der Tatverdächtige ist schließlich 14 Jahre alt und damit strafmündig. Das heißt nach dem Jugendgerichtsgesetz: Er ist strafrechtlich verantwortlich, „wenn er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. Ob es so ist, das müssen Fachleute beurteilen. Doch auch wenn es zu einem Strafverfahren kommt, so wird dabei die Öffentlichkeit ausgeschlossen – zum Schutz des jugendlichen Angeklagten und seiner Familie.

Aber wo bleiben wir, die Öffentlichkeit, die mehr wissen will? Wo bleibt die Information für besorgte Eltern, die befürchten, dass auch ihrem Kind so etwas passieren kann -  im Umgang mit anderen Kindern? Sie wollen Erklärungen. Aber die werden sie nicht bekommen, jedenfalls nicht in einem öffentlichen Prozess. Was wäre auch erreicht, wenn psychologische Gutachter die Innenwelt des Beschuldigten öffentlich ausbreiteten? Wir würden doch nicht verstehen. In dem Fall aus dem Siegerland hatte es der Staatsanwalt so ausgedrückt: „Was für Kinder ein Motiv für eine Tat ist, würde sich einem Erwachsenen nicht erschließen.“ Das befriedigt nicht, gewiss. Aber Detailkenntnisse von dem Fall, in dem ein junger Mensch am Beginn seiner Pubertät sein Leben auf eine komplett falsche Spur lenkt und sich damit selbst am meisten bestraft,  würden ebenso wenig befriedigen.