Meinung Überzogene Justizkritik, die nur weiter polarisiert
Ein Gewerkschafter steht bei seinen Mitgliedern in der Pflicht. Und ein Polizeigewerkschafter tut gut daran, etwas für die Interessen der Polizisten zu tun. Auch öffentlich und lautstark. So wie man es von Polizeigewerkschaftschef Rainer Wendt kennt.
Wenn er aber wie jetzt pauschal das Ansehen der Justiz mit Angriffen unter der Gürtellinie beschädigt, sammelt er gar zu billige Punkte bei all jenen, die sich eine nicht lange fackelnde Strafjustiz wünschen. Bei denjenigen, die nicht viel auf die Regeln des Straf- und Strafverfahrensrechts geben und dabei vergessen, dass diese ihren guten Grund haben: sie schützen vor Willkür.
Beispiel U-Haft, wo immer wieder kritisiert wird, wie denn der Staat solche „Täter“ laufen lassen kann. Es sind aber erst mal Tatverdächtige. Jeder kann irgendwann in Verdacht geraten. Auch völlig ungerechtfertigt. Und froh sein, dass es rechtsstaatliche Regeln gibt. Dass die Anordnung einer U-Haft neben dem dringenden Tatverdacht auch einen Haftgrund wie Flucht- oder Verdunklungsgefahr voraussetzt, hat seinen guten Grund. Es geht hier nicht um eine Freiheitsentziehung zum Zwecke der Strafe, sondern zur Verfahrenssicherung.
Oder denken wir an den Ruf nach höheren Strafen und der oft wiederholten Politiker-Ankündigung nach spektakulären Verbrechen, dass nun mit aller Härte des Gesetzes reagiert werde. Was sich so anhört, als gehe es sonst eher lasch zu. Solche Floskeln sind ein Zugeständnis an das Strafbedürfnis der Öffentlichkeit. Doch würde die Strategie immer härterer Strafen funktionieren, müssten die USA eine Insel der Glückseligen sein. In Wahrheit ist die Kriminalität dort ein viel größeres Problem als hierzulande.
Worauf es ankommt, ist eine schnelle Reaktion des Staates. Eine Strafe, die der Tat auf dem Fuß folgt. Statt durch ein höher gesetztes Strafmaß lassen sich Kriminelle eher durch ein größeres Risiko beeindrucken, erwischt und schnell abgeurteilt zu werden. Das freilich setzt einen stärkeren Ressourceneinsatz voraus. Nicht nur bei der Polizei, sondern auch bei der Staatsanwaltschaft, die ansonsten zum Nadelöhr bei einer nicht zu bewältigenden Menge von Fällen wird. Was sie faktisch vielfach dazu zwingt, Verfahren einzustellen.
Polizei und Justiz sollten hier an einem Strang ziehen und gemeinsam die Politik in die Pflicht nehmen, statt sich zu beschimpfen und damit Gefühle der Unsicherheit auch noch zu befeuern.