Meinung Um die Kanzlerin ist es einsam geworden

Der heute beginnende EU-Gipfel in Brüssel war lange Zeit als magisches Ereignis für die Lösung der Flüchtlingsfrage verstanden worden. Nun ist das Treffen in der Lesart von Angela Merkel auf Zwergenmaß geschrumpft.

Weil dann auch der kleinste Fortschritt noch als großer Erfolg verkäuflich wäre? Leider sieht es nicht einmal danach aus. Je länger sich die Regierungschefin von Gipfel zu Gipfel hangelt, umso mehr wird deutlich, dass ihr Europa-Plan zur Reduzierung der Flüchtlingsströme nicht aufgeht.

Die Ursachen der Flucht bekämpfen, die Außengrenzen der EU sichern und den Flüchtlingszuzug steuern — das ist Merkels Dreiklang, der auch ihre gestrige Regierungserklärung bestimmte. Nur der Rest der Welt spielt dabei kaum mit. In Syrien haben Mord und Vertreibung sogar noch zugenommen, seit die russische Luftwaffe massiv in den Konflikt eingreift. Zehntausende Syrer warten auf Einlass in die Türkei, die bereits 2,5 Millionen Flüchtlinge aufgenommen hat.

Ankara zu entlasten, dem Land Flüchtlinge abzunehmen, das ist Merkels Ziel. Der Deal lautet, dass dafür keiner mehr unkontrolliert nach Griechenland durchkommen soll. Eine große Zahl der Asylsuchenden müsste dann aber direkt aus der Türkei von den EU-Staaten übernommen und aufgeteilt werden. Doch die ehemaligen Ostblockländer mauern im wahrsten Sinne des Wortes. Österreich praktiziert eigene Obergrenzen. Und von der Achse Berlin — Paris, früher eine verlässliche Konstante bei der Bekämpfung aller möglichen Krisen, ist in dieser Frage nichts mehr zu sehen und zu hören. Praktisch steht nur noch das kleine Luxemburg fest zu Merkel.

Um die Kanzlerin ist es einsam geworden. Stellt sich die Frage, wie lange sie noch an ihrem Kurs festhalten kann. Zumal es auch in den eigenen Reihen immer stärker gärt. Einen Fingerzeig darauf hat Merkel gestern im Bundestag durchaus gegeben. Nach ihren Worten soll der Gipfel klar machen, ob es sich noch lohne, den bisherigen Weg weiter zu gehen. Doch ist kaum anzunehmen, dass die Kanzlerin ihr Scheitern einräumen würde. Jetzt noch nicht. Schon im März gibt es den nächsten EU-Gipfel. Und Landtagswahlen gibt es im kommenden Monat ebenfalls. Entscheidender Gradmesser für Merkels Handeln ist jedoch nicht der heutige Gipfel, es sind auch nicht die Landtagswahlen, sondern es sind die Flüchtlingszahlen. Sollten diese bald wieder spürbar ansteigen, muss die Kanzlerin umsteuern.