Das Stegreif-Orchester kommt in die Tonhalle Alles auswendig

Düsseldorf · Beim Schumannfest tritt das großartige Stegreif-Orchester in der Tonhalle auf.

Das Stegreif-Orchester spielt ohne Noten und im Stehen.

Foto: Tonhalle/Alexander Ziegler

Wer aus dem Stegreif redet, trifft – ohne zu überlegen – sofort den richtigen Ton. Kein schlechtes Omen für ein improvisierendes Symphonieorchester: keine Noten, kein Dirigent und fast keine Stühle. Das Stegreif-Orchester spielt alles auswendig, mischt klassische Werke mit anderen Musikstilen, auch mit selbst komponierten und improvisierten Elementen. Dabei bewegt es sich frei im Raum, die Stühle der Cellogruppe haben Rollen. Am 13. Juni debütiert das europäisch besetzte, in Berlin probende Kammerorchester beim Schumannfest in der Tonhalle.

Stegreif experimentiert mit neuen Konzert- und Präsentationsformen, ist deshalb sehr beliebt bei vielen, die ein neues Publikum für die Klassik gewinnen wollen. Das Publikum wird Teil einer szenischen Performance. Choreografen und Regisseure helfen dem Orchester, den jeweiligen Saal zu erobern und mit dem Publikum anders in Kontakt zu treten als sonst üblich. Da kann es durchaus geschehen, dass Bläser für ein Solo auf eine Leiter steigen oder die Streicher in einer Prozession durch den Saal ziehen.

In Düsseldorf führt das Orchester die „Symphony of change“ („Symphonie des Wandels“) auf, ein Best-of eines mehrjährigen Projekts, in dem sich die Musikerinnen und Musiker mit den Themen Nachhaltigkeit und ökologische Transformation beschäftigt haben. Auch das ist ihr Markenzeichen: Das Orchester greift gesellschaftliche Themen auf, um dem oft behaupteten Trend der abnehmenden Bedeutung von klassischer Musik entgegenzuwirken.

Vier Komponistinnen geben den Ton für das aktuelle Programm vor. Wilhelmine von Bayreuth, zu Lebzeiten für ihre barocken Opern bewundert, und die Mystikerin Hildegard von Bingen, die als erste bekannte Komponistin überhaupt gilt, sind vertreten. Mit Clara Schumann und der Sinfonikerin Emilie Mayer stehen außerdem wichtige Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts im Fokus. Die Werke wurden von fünf Frauen aus dem Orchester „rekomponiert“, also um andere Musiken und eigene Elemente angereichert.

Wer Videos von Konzerten des Stegreif-Orchesters sieht, mag sich fragen, wie weit die Grenze zum Theater noch entfernt ist. Ob es sich hier noch um Musikerinnen und Musiker handelt oder vielmehr um Musikdarstellerinnen und -darsteller. Das Live-Erlebnis hinterlässt aber ganz andere Eindrücke, wie ­Tabea Schrenk zu berichten weiß.

Die Cellistin spricht von einer speziellen Magie, die in Stegreif-Konzerten entsteht: von der Spannung und der Freude, die aus dem Moment heraus entsteht, von einem zum anderen überspringt und auch das Publikum ansteckt.

Inwieweit die künstlerische Auseinandersetzung mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN zu spannender Musik geführt hat, wird nun in der Tonhalle zu erleben sein. Der auf der Website formulierte Anspruch des Orchesters ist hoch: Stegreif versteht die „Symphony of change“ als Ermutigung, die sich an alle Neugierigen richtet, als musikalische Aufforderung, Neues zu denken und sich einzubringen.

Es gehe um „einen Hauch von Zuversicht in einer Welt in Schieflage“. Wer sehnte sich derzeit nicht danach?

Info Tickets kosten 19 bis 43 Euro. ­Ermäßigungen gibt es für Studierende, Auszubildende, Schülerinnen und Schüler. Mehr auf: ­­www.­­tonhalle.­­de und ­­www.­­stegreif.­­org