Düsseldorf Brexit: Briten in Düsseldorf wollen Deutsche werden

Auch Joyce Fuhrmann hat den deutschen Pass beantragt — wie immer mehr hier lebende Briten. Sie fürchtet die Konsequenzen des EU-Austritts ihres Heimatlandes.

Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Scones mit Marmelade und Sahne, dazu Lemon Meringue Tartes. Die britische Küche ist bekannt für ihre köstliche „Tea Time“. Joyce Fuhrmann hat alles selbst gebacken. Sie ist Britin, genauer Waliserin, doch schon vor 30 Jahren hat sie die Insel verlassen. Den deutschen Pass hat sie nie beantragt. Wozu auch? Bisher gab es keinen Grund dafür. „Es war nicht nötig, ich dachte, wir sind alle Europäer.“

Das jedoch hat sich seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 geändert. Für Joyce Fuhrmann war der Morgen nach der Abstimmung eine große Enttäuschung. Gerechnet hat sie mit diesem Ergebnis nicht. Vor Deutschland lebte sie in Brasilien und Indien. Ihr Mann, damals beschäftigt bei einem Düsseldorfer Unternehmen, nahm die Familie wegen der Arbeit mit. Er ist Deutscher, so kam es dann auch, dass sie der Weg ins Rheinland führte. „Wegen der Liebe“, sei sie hier.

Damals machte sie direkt einen Deutschkurs, das Zertifikat suchte sie vergangenen September wieder raus. „Ich will sowieso hier in Deutschland bleiben“, berichtet sie. Deshalb beantragte sie den deutschen Pass.

Über den Ausgang der Austrittsverhandlungen Großbritanniens mit der Europäischen Union lässt sich viel spekulieren. Da im März auch offiziell der Austritt beantragt wurde, ist nun wenigstens eins klar: Bis März 2019 müssen die Verhandlungen abgeschlossen sein. Ob die Briten weiter die europäische Freizügigkeit für Unionsbürger genießen? Für die hierzulande Lebenden ist das eine existenzielle Frage.

Viele Düsseldorfer Briten jedenfalls gehen auf Nummer sicher: die deutsche Staatsangehörigkeit. Noch 2015 war das offenbar kein großes Thema in der Community. Nur sechs Anträge gingen im Düsseldorfer Amt für Einwohnerwesen ein. Nur ein Jahr später waren es bereits 76 Anträge, die meisten nach dem Referendum. Der Trend scheint sich fortzuführen. Bis März diesen Jahres beantragen bereits 18 Briten den deutschen Pass. Rund 2500 lebten im Jahr 2015 hier.

Joyce Fuhrmann ist Mitglied des British Women’s Club in Düsseldorf. Dort trifft man sich, spricht Englisch, hört Vorträge und spielt Bridge. „Women who lunch“, beschreibt sie die Aktivitäten. Für sie ist das eine Verbindung in die Heimat. „Großbritannien ist meine erste Heimat und Deutschland meine zweite.“ Sie berichtet, dass viele aus ihrem Bekanntenkreis nun denselben Weg gehen wie sie.

Auch Christel Jenkner berichtet von diesen Fällen. Sie ist zweite Vorsitzende der deutsch-britischen Gesellschaft in Düsseldorf. „Momentan ist die Verunsicherung groß, die meisten Briten wollen hier bleiben und die doppelte Staatsangehörigkeit beantragen.“ Der Verein setzt sich für den deutsch-britischen Dialog ein, nun wolle man diesen noch verstärken. Durch die Unterstützung von Schüleraustauschs und monatlichen Veranstaltungen bringt er britisches Leben nach Düsseldorf. Christel Jenkner selbst ist keine Britin, unterrichtete jedoch vor ihrer Pensionierung Englisch. Im Verein sind Briten und Deutsche.

Derzeit sind zwei Pässe möglich. Joyce Fuhrmann möchte beide Pässe haben. Das ist für EU-Bürger momentan kein Problem. Doch viele Briten sind sich unsicher. Niemand weiß, ob diese Möglichkeit in zwei Jahren weiterhin bestehen wird. Beantragt hat Joyce Fuhrmann den Pass in Meerbusch. Eine Gebühr von 255 Euro musste sie dafür zahlen. Bekommen hat sie ihn noch nicht, er wird noch bearbeitet.

Viele Voraussetzungen gibt es für die deutsche Staatsangehörigkeit: Gute Sprachkenntnisse haben, seit mindestens acht Jahre in Deutschland wohnhaft sein sowie das Bestehen eines Tests. Als Noch-Unionsbürger sind für viele schon lange hier lebende Briten die Chancen gut. „Da ich über 65 Jahre bin, musste ich keinen Einbürgerungstest machen“, berichtet sie. Den hätte sie wohl auch bestanden. „Ich habe vorher im Internet einen Probetest gemacht. Da hatte ich 32 von 33 Fragen richtig beantwortet.“ „Ich finde den Brexit nicht gut“, erzählt die Waliserin. Da sie schon so lange nicht mehr in Großbritannien lebt, durfte sie selbst nicht abstimmen. „Wir waren eine Familie in Europa und jetzt sind wir kein Mitglied mehr.“

Auch ihre Tochter profitierte von dieser europäischen Familie, sie studierte in England, Frankreich und lebt nun in Deutschland. Gerade für die Jugend sei der Austritt schlimm, findet Joyce Fuhrmann. Ändern könne man nun allerdings nichts mehr. Sie hofft, dass sich Großbritannien und die EU für beide Seiten möglichst fair einigen können. Die Freundschaft zwischen Deutschland und Großbritannien werde weiter bestehen. Und wenn sie sich doch für einen Pass entscheiden muss? „Dann werde ich leider meinen britischen Pass abgeben.“