Das Ende des Rotweinflecks naht
Der Forscher Michael Puls sucht fast überall nach Enzymen. Denn diese ermöglichen eine umweltfreundlichere Chemie – und das ganz natürlich.
Düsseldorf. Ein ganz normaler Arbeitstag beinhaltet für Michael Puls immer auch die Hoffnung, die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Der 32-jährige Diplom-Naturwissenschaftler trägt nämlich mit seiner Forschung dazu bei, chemische und zum Teil giftige Produkte umweltfreundlicher und verträglicher zu machen. Das fängt beim Waschmittel an und hört beim Medikament gegen Krebs auf. Der Schlüssel zur Lösung, nach dem Puls und seine Kollegen beim Biotechnologie-Unternehmen Evocatal im Life Science Center stets suchen, sind Enzyme.
"Enzyme sind Eiweiße, die in jedem Organismus für alle chemischen Reaktionen zuständig sind", erklärt er. Isst man zum Beispiel einen fettigen Hamburger, stürzen sich sofort Proteasen auf die Eiweiße und Lipasen auf die Fette des Fleisches und helfen so bei der Verdauung. Das Faszinierende daran: Die Enzyme arbeiten hochpräzise und verfehlen im gesunden Körper niemals ihr Ziel. "Genau diese Präzision machen wir uns zunutze", sagt Puls.
Früher musste man etwa ein Hemd bei 90 Grad waschen, wenn es Fettspritzer abbekommen hatte. Heute genügt meist schon eine Temperatur von 30 Grad, da vielen Waschmitteln eben genau solche spezialisierten Enzyme beigemischt werden. Positiver Nebeneffekt: Enzyme sind biologisch abbaubar und machen das Produkt dadurch wesentlich umweltfreundlicher.
Probleme bereitet den Forschern aber offenbar immer noch der berühmte Rotweinfleck. "Es wäre toll, wenn man den enzymatisch entfernen könnte", findet Puls. Doch bislang scheint das immer noch nur mit der chemischen Keule möglich zu sein, das passende Enzym wurde anscheinend noch nicht entdeckt.
Doch es gibt noch mehr Erfolgsgeschichten: Der Wirkstoff eines bestimmten hochwirksamen Krebsmedikaments wird beispielsweise aus Eiben gewonnen. "Man müsste allerdings weltweit sämtliche Eiben fällen, um den Bedarf zu decken", sagt Puls. "Deshalb suchen wir nach genau dem Baustein, der es dem Pharmaunternehmen ermöglicht, den Wirkstoff naturidentisch nachzubilden."
Um fündig zu werden, wird zum Beispiel die DNA einer Bodenprobe isoliert, die dann mit Hilfe von Mikroorganismen "abgelesen" wird - bis der richtige Baustein dabei ist. Die Firmen, die Evocatal mit der Suche nach geeigneten Enzymen beauftragen, sind in der Regel Chemieunternehmen. Sie suchen Lösungen für teilweise hochspezifische Probleme. "Wissenschaft soll praktikable Lösungen liefern", sagt Puls. "Und genau das tun wir." Aktuell suchen er und seine Kollegen nach einer Möglichkeit, aus nachwachsenden Rohstoffen Nylon herzustellen.
Überhaupt geht es ihm darum, zur Entwicklung einer verträglichen Chemie beizutragen. "In meiner Jugend waren saurer Regen und die Umweltbewegung allgegenwärtig", so Puls. "Schon damals wollte ich die Probleme nicht nur erkennen, sondern auch lösen." Zudem haben sich die Umweltprobleme dramatisch zugespitzt. Puls fühlt sich nicht zuletzt auch deshalb heimisch in der Biotechnologie, denn sie macht sich die Techniken der Natur zunutze, um umweltfreundlichere Verfahren in Bereichen zu entwickeln, in denen bis vor kurzem die reine Chemie als unantastbare Lösung galt.
"Meinen Job nehme ich zumindest gedanklich täglich mit nach Hause", sagt er, auch wenn dort seine Lieblingsbeschäftigung auf ihn wartet: sein kleiner Sohn. Trotzdem denkt Michael Puls fast ständig über Lösungsmöglichkeiten nach, hat eine zündende Idee, setzt sie um - und trägt so dazu bei, die Chemie umweltfreundlicher und die Welt ein kleines bisschen besser zu machen.