Düsseldorfs besondere Straßen Die Kiefernstraße – von der Hausbesetzer-Szene zum Instagram-Hotspot
Düsseldorf · Die Kiefernstraße – einst Heimat vieler Arbeiter, später Mittelpunkt der städtischen Hausbesetzerszene, heute Instagram-Hotspot.
In den Großstädten sind kaum noch Wohnungen verfügbar, die Menschen suchen verzweifelt nach einer Bleibe. Zwar ziehen Wohnungsmieter aus, doch ihnen folgen keine neuen Bewohner. Und das, obwohl die zu vermietenden Wohnungen der Stadt gehören. Verzweiflung und Wut machen sich breit. Was aktueller nicht sein könnte, hat sich tatsächlich bereits vor mehr als 40 Jahren zugetragen.
Ein Blick zurück: Es sind die 1980er-Jahre und das gesamte Land, damals noch in Ost und West geteilt, befindet sich im Umbruch. 1980 gründet sich eine neue Partei, quasi als verlängerter Arm der Anti-Atomkraftbewegung – „Die Grünen“. In München findet im selben Jahr ein rechtsextremer Anschlag auf dem Oktoberfest statt. Gleichzeitig versetzen RAF-Terroristen das Land in Angst und Schrecken. Helmut Kohl wird 1982 zum Kanzler gewählt, ein Jahr später veröffentlicht der „Stern“ die gefälschten Hitler-Tagebücher. Wie das Jahrzehnt endet, dürfte wohl jedem bekannt sein: Die Berliner Mauer fällt, das Ende des Eisernen Vorhangs ist besiegelt.
Doch zurück nach Düsseldorf. Inmitten dieses explosiven Jahrzehnts ist auch die Kiefernstraße im Umbruch. Die dortigen Häuser sind zu Beginn der 1980er-Jahre bereits Jahrzehnte alt. Gebaut wurden sie nämlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts – als Werkswohnungen. Erst nach der Bebauung wird die Straße auf ihren heutigen Namen getauft, zuvor heißt sie Ruhrtalstraße. Günstiges Wohnen für Arbeiter, dieses Konzept funktioniert auf der Kiefernstraße lange. Doch als 1975 das nahe gelegene Industriewerk stillgelegt wird, rückt auch die Bebauung an der Kiefernstraße in den Fokus.
Ein Plan sieht damals vor, dass die Bebauung, die sich mittlerweile im Eigentum der Stadt Düsseldorf befindet, einem neuen Gewerbegebiet weichen muss. Daraufhin werden die Mietverträge sukzessive gekündigt – obwohl schon damals eklatanter Wohnraummangel in Düsseldorf herrscht. Doch dagegen regt sich Widerstand. Im Januar 1981 ist es dann so weit: Nach einer Kampfdemonstration werden verschiedene Häuser in ganz Düsseldorf besetzt – eben auch die an der Kiefernstraße. Flankiert wird die Aktion mit einem Schwarzbuch der Aktivisten, dass den Wohnungsleerstand in Düsseldorf aufzeigt. Schon damals hängen die Aktivisten zudem riesige Banner mit ihren Botschaften auf.
Dabei geht das Zusammenleben nicht immer einfach von der Hand, schließlich leben Menschen aus Dutzenden Nationen an der Kiefernstraße. Ein politisches Hin und Her beginnt. Die Stadt übergibt zunächst 50 Wohnungen an einen Verein gegen Wohnungsnot. Später soll das Ganze wiederholt werden, die Stadt aber hält Zusagen nicht ein. Die Stimmung heizt sich weiter auf.
Nach den Kommunalwahlen 1984 und einem entsprechenden Politikwechsel in der zuständigen Bezirksvertretung 2 folgen vorsichtige Kontakte. Später dann die Nachricht: Der Abriss ist vom Tisch, stattdessen sollen die Häuser saniert werden. Auch für die Bewohner der Kiefernstraße geht es positiv aus – die städtischen Behörden erkennen 1988 befristete Verträge an und verlängern diese 1998. Aus Hausbesetzern wurden Hausbewohner, ganz legal.
1986 rückten die Kiefernstraße und ihre Bewohner dennoch zwischenzeitlich wieder in das Licht der Öffentlichkeit. Nach Festnahmen in Hessen gerät der Ort ins Visier der Ermittler, dort werden RAF-Unterstützer vermutet. Es ist ein weiteres Kapitel in der Geschichte einer ganz besonderen Straße.
Und heute? Viele Düsseldorfer wissen um die Bedeutung der Kiefernstraße als Symbol gegen Wohnungsleerstand. Die Häuser werden inzwischen von der Städtischen Wohnungsgesellschaft (SWD) verwaltet. Dabei erscheint die Straße selbst inzwischen in ganz anderem Licht, nach Werkswohnungen sieht dort nichts mehr aus. Stattdessen dominieren nun bunte Häuserfronten das Straßenbild, mit Street-Art und Graffiti.
Das haben mittlerweile auch viele Auswärtige herausgefunden. Die Kiefernstraße gilt als „Geheimtipp“ für Touristen in der Stadt. Inzwischen werden sogar Führungen durch die Kiefernstraße angeboten.
Egal ob in den 1980er-Jahren oder heute, 40 Jahre später, – die Kiefernstraße soll als Ort der Begegnung, aber auch weiterhin des Widerstands, verstanden werden. So protestierten beispielsweise vor einigen Jahren Anwohner gegen eine mögliche Bebauung eines Hotels auf einem benachbarten Grundstück. Mit Erfolg.
Heute präsentiert sich die Kiefernstraße als Teil des urbanen Stadtviertels Flingern und hat doch ihre wechselhafte Vergangenheit und herausragende Stellung nie vergessen. Davon zeugt das Engagement der Bewohner, heute wie damals.