Düsseldorfer Geschichten Der Dom von Flingern

Düsseldorf · Während der Industrialisierung wurde 1892 in dem prosperierenden Stadtteil die Liebfrauenkirche für 16.000 Katholiken eingeweiht. Die Initiative Flingern-Pfad widmet ihr an der Degerstraße eine Informationsstele.

Die katholische Gemeinde mit der Liebfrauenkirche ist auch heutzutage noch ein wichtiger Bestandteil des täglichen Lebens im Stadtteil Flingern.

Foto: Marc Ingel

Die römisch-katholische Liebfrauenkirche an Deger- und Ackerstraße wird von den Menschen vor Ort ebenso liebevoll wie stolz als der „Dom von Flingern“ bezeichnet. Eigentlich heißt sie richtig ja St. Mariä Himmelfahrt, aber dieser Name wird eher selten genutzt. Genau hier hat die Initiative Flinger-Pfad jetzt ihre nächste Stele mit der Nummer 23 gesetzt – für den Rundweg, der die Geschichte des Stadtteils von der Mitte des 19. Jahrhunderts an nacherzählen soll.

Mit der Kirchweihe 1892 begann damals das Gemeindeleben in Flingern. Die Bewohnerzahl in Düsseldorf war im Zuge der Industrialisierung binnen weniger Jahre enorm gestiegen. Für die überwiegend katholischen Zugewanderten wurde bereits 1885 in Flingern ein Kirchbauverein gegründet, das Areal an der Ackerstraße, wo das Gotteshaus entstehen sollte, wurde gestiftet. Den ausgeschriebenen Wettbewerb gewann 1889 der anerkannte Architekt C.C. Pickel, nach dessen Entwürfen die neugotische Kirche mit dem mächtigen Turm in nur 21 Monaten gebaut wurde. Die Kirchweihe fand genau am 10. Juli 1892 unter dem ersten Pfarrer T.H. Bollig statt, dem im Pfarrgarten ein Gedenkstein gewidmet ist.

Im Juli 1916 wurde der Name „Liebfrauen“ zusätzlich offiziell, um eine Verwechslung mit St. Mariä Empfängnis an der Oststraße zu vermeiden. „Von diesem Zeitpunkt an konnten die Menschen in Flingern der Muttergottes in ihrer Kirche alle Sorgen anvertrauen. Sie sollte dann bei Gott für sie bitten“, erklärt Kaspar Michels, der für den Flinger-Pfad sorgsam den historischen Hintergrund jeder Stele recherchiert und aufbereitet.

Die Kirche erkannte aber durchaus auch die Notwendigkeit, den zahlreichen Armen zur damaligen Zeit Hilfe zu leisten. Jedoch ging es ihr nicht zuletzt auch darum, die in Not Geratenen davon abzubringen, sich den „verderblichen Bestrebungen der Socialdemokraten“ anzuschließen, wie Michels herausgefunden hat. Bereits 1895 wurde ganz im Sinne des früheren Bischofs Ketteler auch hier ein Zweig der katholischen Arbeiterbewegung KAB gegründet. Arbeiter und Handwerker sollten dort „ein Rüstzeug für den Stand in glaubensfeindlichen Umwelt“ erhalten.

Katholische Jugendarbeit wurde während der NS-Zeit verboten

Gemeinsam mit der Gemeinde St. Elisabeth wurde eine gemeinnützige GmbH zum Betrieb eines Kettelerheims gegründet. Das ehemalige „Becker’s Lokal“ an der Lindenstraße wurde dafür erworben – mit Jugendheim, Versammlungsräumen und einem Saal mit großer Bühne. Die DJK Rheinfranken bot zusätzlich ein Sportprogramm an. Ab 1933 wurde die katholische Jugendarbeit durch die nationalsozialistische Machtübernahme erst erschwert und dann gänzlich verboten. Während der NSDAP-Zeit wurde das Kettelerheim von den Nazis beschlagnahmt und als Kino mit immerhin 1200 Plätzen genutzt, im Krieg selbst wurde die Kirche weitgehend zerstört.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Aloys Odenthal, berühmt für seine Teilnahme an der „Aktion Rheinland“ in den letzten Kriegstagen, beauftragt, die Kirche zwischen 1947 und 1949 wieder „einfach“ instandzusetzen. Später gestaltete dann der Architekt Gottfried Böhm in den 1960er-Jahren den Altarraum und eine neue Stalaktitendecke. Die Chorfenster wurden nach einem Entwurf von Hein Derix erneuert. 1987 brachte der Kunstmaler Gerhard Wind Farbigkeit in die Kirche. Während der Arbeiten wurden Wandmalereien unter dem Putz freigelegt, die aus der Zeit um 1900 stammen.

Aus der früheren St. Vinzenzkirche am Höherweg wurde 2002 die Orgel übernommen, und schließlich kam 2011 noch der restaurierte Kreuzweg des Malers Joseph Hennefeld in die Kirche zurück. Nach dem Abriss des Kettelerheims entstand an der Lindenstraße bereits in den 1970er-Jahren ein neues Pfarrzentrum der Gemeinde Liebfrauen.

Der 1997 von den Gemeinden St. Elisabeth, Liebfrauen und St. Vinzenz gegründete Caritasverein „Flingern mobil“ hat den Neubau inzwischen übernommen. Denn zur Wahrheit gehört auch: 1882 wurde die Pfarrei für circa 16 000 Mitglieder gegründet. 1983 waren es nur noch 6800 Gemeindemitglieder, inzwischen lediglich 4800 – mit fallender Tendenz.