Eine Zirkusstadt auf Reisen
Corteo ist die aufwändigste Show des Cirque du Soleil. Alle sechs Wochen kommt sie in eine neue Stadt. Ab 18. Oktober ist sie zu Gast in Düsseldorf.
Düsseldorf. Größer könnte der Kontrast nicht sein — auf der einen Seite fällt der Blick auf moderne Wolkenkratzer, die sich rund um das Stadion von Ajax Amsterdam gruppieren. Auf der anderen Seite findet sich eine kleine, weiße Zeltstadt, die inmitten der modernen Architektur fast unwirklich scheint. Es ist der Cirque du Soleil, der mit der Show „Corteo“ in der niederländischen Metropole gastiert. Lange bleibt er allerdings an keinem Ort, spätestens nach sechs Wochen zieht der Zirkus weiter in eine andere Stadt.
Am 18. Oktober feiert Corteo an der Hohenzollernallee Deutschland-Premiere mit der aufwändigsten und größten Show des kanadischen Zirkus. Mit mehr als 80 Trucks kommt dann die Zeltstadt an den Rhein und entführt das Publikum in einer faszinierenden Zeitreise in die Vergangenheit. Corteo bedeutet auf italienisch Festzug und entpuppt sich als fröhliche Prozession, die sich in der Fantasie eines schlafenden Clowns abspielt. Fliegende Betten, Romeo und Julia im Taschenformat oder lebendige Golfbälle gehören ganz selbstverständlich zu dieser Welt.
Hinter den Kulissen der verträumten Show verbirgt sich eine ganz eigene, reale Welt mit 140 Mitarbeitern aus 25 Nationen und weiteren 150 Hilfskräften, die vor Ort eingestellt werden. Dazu gehört eine Kantine mit vier Köchen genauso wie ein Waschsalon oder die Praxis des Physiotherapeuten. Einer der größten Arbeitsplätze ist die Werkstatt von Julie de Carufel. Sie ist für mehr als 200 komplette Kostüme zuständig, die nach jeder Show gewaschen, getrocknet und gebügelt werden müssen.
„Wir verwenden nur natürliche Materialien wie Baumwolle. Synthetik würde diese Belastung nicht lange aushalten“, sagt die Kanadierin mit Blick auf ihr Reich zwischen Nähmaschinen und Bügelbrettern. Jeder der 62 Artisten hat seine eigene Garderobe und bekommt von de Carufel sein Bühnenoutfit. Dazu zählen auch 250 Paar Schuhe, die von Größe 35 bis 49 reichen. Dabei müssen die Kostüme auch immer wieder angepasst werden: „Beim Essen halten alle Disziplin. Ein Problem ist aber, dass bei manchen die Muskelmasse durch das tägliche Training zunimmt.“
Der einzige deutsche Artist ist Patrick Schuhmann aus Berlin. Der 21-Jährige hat sich mit dem Cirque du Soleil einen Traum erfüllt: „Mit 13 hat mich in Hellersdorf der Kinder- und Jugendzirkus von der Straße geholt. Mit 15 habe ich dann den Cirque du Soleil kennengelernt und gewusst, da will ich irgendwann mitmachen.“ Schuhmann erfährt, dass viele der Artisten über eine kanadische Zirkusschule ihre Chance bekommen. „Eigentlich muss man da vor Ort ein Casting absolvieren. Ich habe es mit einem eingeschickten Video versucht und wurde genommen.“
Direkt nach der dreijährigen Ausbildung wird er 2010 vom Cirque engagiert und tritt bei „Corteo“ in Moskau auf. Zu seinen Geräten in der Show gehört das Schleuderbrett, mit der die Artisten waghalsige Sprünge machen. „Viele meiner Kumpels sind aus Hellersdorf nicht weggekommen und machen jeden Tag dasselbe. Das mache ich auch, aber immer in einem anderen Land“, sagt Schuhmann stolz.
Sein Zirkustag fängt in der Regel um 16 Uhr mit den Proben im großen Trainingszelt an. „Wir wohnen nicht auf dem Platz, sondern sind in Hotels in der Stadt verteilt“, berichtet der Artist. Gearbeitet wird jeden Tag während des Gastspiels. „In der freien Zeit machen wir viel zusammen, gehen Essen, feiern Junggesellenabschiede und schauen uns wenn möglich andere Shows an, die in der Stadt gastieren. Ich gehe auch als Zuschauer gerne zum Zirkus.“
Lange Erfahrung mit weltweiten Touren hat der technische Leiter der Show, Adam Landry, dessen Karriere als Darsteller begonnen hat. „Wir brauchen für den Aufbau etwa sechs Tage und für den Abbau drei. Insgesamt umfasst mein Team dafür 40 Leute.“ In der Show muss er Betten fliegen und Schuhe alleine laufen lassen. „Die Herausforderung ist es, solche Tricks einfach aussehen zu lassen, auch wenn der technische Aufwand dafür riesengroß ist“, sagt der US-Amerikaner, der seit vier Jahren mit dem Cirque unterwegs ist.