„Die Nähe könnte auf der Strecke bleiben“ Kontroverse um schärfere Regeln an Düsseldorfer Grundschulen

Düsseldorf · Nach Übergriffen in anderen NRW-Städten sind die Schutzkonzepte überarbeitet worden. Wie Mütter und Väter reagieren.

Nachmittags um 15.30 Uhr ist Abholzeit: Dann knubbelt es sich vor der Brehmschule in Düsseltal.

Foto: RP/Jörg Janßen

Die Schutzkonzepte, die die Sicherheit an den Düsseldorfer Grundschulen erhöhen sollen, sorgen in der Elternschaft für Diskussionen. Dafür sind auch Nachschärfungen bei bereits beschlossenen Konzepten mitverantwortlich.

„Bislang standen an unserer Schule alle vier Tore offen und Eltern kamen im Bedarfsfall ganz unkompliziert aufs Gelände, wenn etwas rasch geklärt werden oder ein verlorener Turnbeutel gesucht werden musste“, sagt eine Mutter, deren Nachwuchs in die evangelische Brehmschule in Düsseltal geht. Doch das gehöre seit Kurzem der Vergangenheit an. So sei der Zugang auf zwei Tore beschränkt worden und Eltern dürften nicht mehr ohne Anmeldung und vorherige Rücksprache aufs Gelände, zeigt sich die Mutter überrascht.

Ihre Kritik entzündet sich vor allem an zwei Punkten: Zum einen knubbele es sich zu den standardisierten Abholzeiten vor den zwei noch geöffneten Toren. Vor allem an der Karl-Müller-Straße reiche der Bürgersteig nicht aus für die vielen wartenden Eltern und die hinausströmenden Kinder, von denen manche einfach auf die Straße liefen. „Da kann es schon mal mit Blick auf den Verkehr gefährlich werden“, meint die Düsseldorferin. Unwohl mit der neuen Situation fühle sie sich auch, weil der „kurze Draht“ zu den Lehrern und den Betreuern im Offenen Ganztag nun kaum noch möglich sei. Mal eben nach der verhängten Jacke oder dem verlorenen Turnbeutel schauen oder kurz über eine Kabbelei mit einem Mitschüler reden, das gehe nun nicht mehr. „Stattdessen wartet man auf eine Fundkiste, die zu bestimmten Zeiten öffentlich aufgestellt wird.“

Tatsächlich wird es an der Karl-Müller-Straße nachmittags voll, wie ein Vor-Ort-Besuch zeigt. In der ruhigen Einbahnstraße, an der gepflegte drei- bis viergeschossige Mehrfamilienhäuser dominieren, wird es um 15.30 Uhr eng. Einige Eltern kommen zu Fuß, warten darauf, dass der Nachwuchs durchs Tor kommt. Andere fahren mit dem Auto, doch Parkraum für diese Eltern-Taxis gibt es, wie in den meisten urbanen Wohnquartieren der Landeshauptstadt, nicht. Direkt auf die Straße rennen die Kinder an diesem Nachmittag nicht. Aber für etwa zehn Minuten wirkt das Ganze schon ziemlich eng und unübersichtlich.

Kurze Gespräche zeigen, dass die Meinung über die Fein-Justierung des Schutzkonzepts auseinandergehen. Die meisten halten weiterreichende Konsequenzen aus Vorfällen wie dem in Krefeld, wo ein Mann an zwei Schulstandorten Kinder auf der Toilette sexuell missbraucht hatte, für wünschenswert. „Ich finde nicht, dass die an der Brehmschule angewandten Regeln an irgendeinem Punkt zu weit gehen“, sagt Carolin Splettstößer. Zwei ihrer drei Kinder besuchen die Düsseltaler Grundschule. Letztlich sei es jetzt halt wieder so, wie es bereits vor Corona gewesen sei. „Wer neu an der Schule ist, weiß das vielleicht nicht, aber wir kamen damals gut damit zurecht und werden das auch jetzt“, fügt sie noch an, bevor sie mit ihrer Tochter nach Hause geht.

Schulleiterin hält die
neuen Regeln für richtig

Schulleiterin Andrea Knopper kann verstehen, dass sich Eltern an einige der Änderungen erst einmal gewöhnen müssen. Die neuen Regeln hält sie allerdings für richtig. Schließlich seien sämtliche Düsseldorfer Grundschulen aufgefordert worden, Schutzkonzepte einzureichen und darüber nachzudenken, wie man die Sicherheit an der Schule weiter verbessern könne. „Wir handeln bei diesem Thema immer verantwortungsvoll, haben beispielsweise schon länger festgelegt, dass die Kinder die Türen zu den Toiletten nur mit einem Chip öffnen können.“

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Dass der niederschwellige Austausch künftig kaum noch stattfinden könne, glaubt die Lehrerin dagegen nicht. „Eltern können jederzeit mit uns über die Plattform Logineo kommunizieren oder das Sekretariat anrufen. Und selbstverständlich kommen sie auch auf das Gelände, wenn der Grund dafür kurz kommuniziert wurde“, sagt sie. Zudem gebe es regelmäßig einen „Talk am Tor“, bei dem sich Eltern mit Mitarbeitern der Schule austauschen könnten. „Und es existiert in jeder OGS-Gruppe ein Handy, über das man die Betreuer für Nachfragen oder kurze Absprachen erreicht.“

Andrea Knopper betont, dass die Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen, darunter auch dem Eilausschuss der Schulkonferenz, abgestimmt worden sind. Für Diskussionen ist die Pädagogin offen: „Die getroffenen Vereinbarungen oder Teile davon können auf Basis der gemachten Erfahrungen auch wieder verändert werden, wenn es dafür einen Konsens in der Schulgemeinde gibt.“

Neue beziehungsweise nachgeschärfte Regeln sorgen auch an anderen Standorten für Irritationen. „Als Elternteil soll man in aller Regel nicht mehr aufs Gelände und beim Ganztag muss man sich an konkrete Abholzeiten halten. Hat eine Bahn Verspätung oder steht man kurz im Stau und kommt deshalb zehn Minuten später ans Schultor, soll man jetzt bis zur nächstfolgenden Abholzeit warten. Eltern haben aber am Nachmittag womöglich noch viele andere Erledigungen auf dem Zettel“, sagt eine Mutter, deren Kind die Gemeinschaftsgrundschule an der Kronprinzenstraße besucht.

Schulleiterin Heide Steinke, die auch eine der Sprecherinnen ihrer Schulform ist, hält die Regeln, die manche Familien als Einschränkung wahrnehmen, für ausgewogen. „Natürlich haben uns die Vorfälle in Krefeld und anderen Städten wachgerüttelt und wir müssen hier unserer Verantwortung für die Kinder gerecht werden, indem wir im Zweifel noch etwas genauer hinschauen“, sagt die Pädagogin. Tatsächlich seien es zuletzt einfach zu viele Eltern gewesen, die einfach so durchs Gebäude gelaufen seien. In vielen Fällen sei nicht klar gewesen, warum die Besucher durch die Flure gehen. Deswegen erfolge jetzt häufiger eine konkrete Ansprache durch Mitglieder des Kollegiums, sobald ein Erwachsener auf dem Hof oder im Gebäude angetroffen werde. „Die Fluktuation mit bis zu 20 Menschen, die einfach über die Gänge liefen, war zuletzt einfach zu hoch“, betont Steinke.

Trotzdem bleibe die Unterbilker Grundschule „eine Schule mit Herz, an der sich alle wohlfühlen und ein paar Worte wechseln können“. Hinzu komme: Wer einen triftigen Grund habe, könne jederzeit ins Gebäude, nachdem er mit dem Sekretariat Kontakt aufgenommen habe. Und auch bei der OGS seien Absprachen in besonderen Fällen möglich. Die neuen Regeln, die es in Teilen vor Corona schon gegeben habe, sorgen nach Steinkes Einschätzung nicht zuletzt für mehr Ruhe im Schulgebäude. Und sie förderten die Selbstständigkeit der Kinder. „Manche gut gemeinte Fürsorge ging so weit, dass Sachen bis in den Klassenraum hinterhergetragen wurden, das muss aber in aller Regel nicht sein,“ meint Steinke.

Dafür, dass nun alle Krefelder Grundschulstandorte mit Gegensprechanlagen ausgestattet werden sollen, um zu verhindern, dass Fremde aufs Gelände kommen, hat die Schulformsprecherin „großes Verständnis“. Ereignisse wie ein sexueller Missbrauch auf einem Schul-WC müssten erst einmal verarbeitet werden. Jede Stadt und jede Schule habe das Recht, hier jeweils eigene Konsequenzen zu ziehen. Für ihren Standort in Unterbilk sieht sie die Notwendigkeit einer möglichst vollständigen Abriegelung des Geländes aber nicht. „Unser Tor abzuschließen und mit so einer Anlage auszustatten, bringt auch nicht viel, denn gleich daneben trennt uns nur eine kleine Mauer, über die jeder klettern kann, vom Rest des Quartiers.“

(jj veke)