Ausstellung: Ein Russe blickt auf die Reste der Sowjetunion Utopie und Abgesang im Osten

Düsseldorf · Die Ausstellung des Russen Danila Tkachenko ist spannend und hoffentlich nicht die letzte im Kulturbahnhof.

Diese orthodoxe Kirche wurde nach der Russischen Revolution aufgegeben. Danila Tkachenko zeigt sie im Verfall.

Foto: Danila Tkachenko

Eine sensationelle Schau ist im Kulturbahnhof Eller zu bewundern. Sie gilt dem russischen Fotografen Danila Tkachenko. Er präsentiert Sperrbezirke in der ehemaligen Sowjetunion und gibt in seinen Aufnahmen den Abgesang eines Weltreichs. Die Fotos erinnern in ihrer Klarheit angesichts eines milchigen Himmels an die Industriebauten der Becher. Aber sie liefern den Untergang gleich mit.

Tkachenko, Jg. 1989, stammt aus Moskau, studierte dokumentarischen Fotojournalismus an der Rodschenko-Schule für Fotografie und Multimedia. Kaum hatte er 2014 seinen Abschluss gemacht, als er den Word Press Photo Award für seine Serie „Escape“ (Einsiedler) gewann. Nach der anschließenden Serie „Sperrbezirke“ („Restricted Areas“) purzelten die Preise und Auszeichnungen. Die westliche Welt sieht in ihm vermutlich den Spion, der ein verbotenes Terrain betreten hatte und nun all die Geheimnisse der Sowjets öffentlich preisgibt. Sein Buch erschien in fünf Ländern, darunter auch im Heidelberger Kehrer Verlag.

Auf der Suche nach den verbotenen und verlorenen Orten

Er selbst tritt nicht in Erscheinung. Auch jetzt bei der Vernissage im Kulturbahnhof wurde er nicht gesichtet. Selbst der Vereins-Vorsitzende und Ausstellungsmacher Gerolf Schülke kennt ihn nicht persönlich. Der Kontakt läuft über seine Agentin in Berlin, die die Werke vermittelte. Es handelt sich um Serien mit dokumentarischen und historischen Motiven, die immer perfekt im Erscheinungsbild sind.

Der geheimen Städte, denen er sich widmet, sind auf keiner Landkarte verzeichnet, denn ihr Zugang war jahrzehntelang verboten. Seine Großmutter lebte an einem solchen Ort. Der Enkel bereiste das einstmals riesige Sowjetreich in zwei aufeinander folgenden Wintern. Mitten im Schnee scheinen nun die Reste der glorreichen Vergangenheit im Schnee zu versinken. Raketenteile, Betonskelette, hochgeklappte und längst funktionslose Wände, ein Amphibien-Senkrechtstartflugzeug oder ein verlassenes Observatorium erstaunen in der leergefegten Landschaft im weißlichen Licht.

Die Bildzeilen sind spannend, denn nur sie verraten, dass eine still gelegte Kommunikationsanlage eigentlich eine interplanetare Funkverbindung herstellen sollte. Selbst Katastrophen, die die Sowjets lange unter Versteck hielten, wie den ersten Atomunfall in Tscheljabinsk noch vor Tschernobyl, wird kurz und knapp im Telegrammstil preisgegeben. Man sieht vier kahle Bäumchen rund um ein verseuchtes Wasserloch, das mit seinem rotweißen Absperrband niemanden vor der Radioaktivität schützen könnte. Doch dieser erste Atomunfall soll schlimmer gewesen sein als der von Tschernobyl.

Der Titel „Utopie und Untergang“, den der Kunstpalast für die Kunstausstellung zu DDR-Zeiten benutzt, wäre im Kulturbahnhof noch eher angebracht. Denn hier ist der Untergang endgültig. Er ereignet sich in der menschenleeren Eiszeit und Endzeit inmitten von Betonruinen und Tonnen voller Raketentreibstoff als Horizontlinie.  Das wird in der Serie „Monumente“ von 2018 noch deutlicher. Tkachenko suchte orthodoxe Kirchen auf, die nach der Russischen Revolution von 1917 aufgegeben wurden und im grau verhangenen Himmel hundert Jahre später zu gespenstischen Ruinen geworden sind. Er bedeckte sie teilweise mit schwarzen Rechtecken oder mit diagonalen Stäben, als wolle er nicht nur die Russische Revolution, sondern auch den russischen Suprematismus aus der Zeit der Bolschewiki endgültig zu Grabe traten.

Seine letzte Serie, die er „Motherland“ (Mutterland) nennt, wirkt geradezu gespenstisch. Dort hat er alte Häuser, die während der Zwangskollektivierung zwischen 1928 und 1937 aufgegeben wurden, in Brand gesetzt.

Es könnte die letzte Schau sein, zumindest im Kulturbahnhof Eller. Denn hartnäckig hält sich das Gerücht, dass der Kulturbahnhof mitsamt zwei Künstlerateliers verkauft wird, denn sonst müsste die Stadt die teuren Sanierungskosten zahlen. Der ehrenamtliche Vorsitzende des gemeinnützigen Vereins, Gerolf Schülke, hat dem Kulturdezernenten Hans-Georg Lohe mitgeteilt, dass er beim Verkauf der städtischen Immobilie sofort alle kommenden Ausstellungen im Kulturbahnhof stoppen werde. Es wäre eine Katastrophe für den Kulturstandort Düsseldorf, denn der Verein leistet herausragende Arbeit in Ausstellungen, die man sonst nicht so schnell zu Gesicht bekommt.

Info: Danila Tkachenko im Kulturbahnhof Eller, Vennhauser Allee 89, bis 23. Februar, Di bis So von 15 bis 19 Uhr geöffnet.