Düsseldorf Pogromnacht 1938: "Die Nazis warfen alles aus dem Fenster"

Sehr eindrucksvoll geriet die Gedenkfeier zur Pogromnacht 1938 durch den Zeitzeugen Simha Arom — und Schüler vom „Ursulinen“.

Foto: Landeshauptstadt Düsseldorf/Melanie Zanin

Düsseldorf. „Die Nazis brachen in unsere Wohnung an der Karlstraße ein und warfen alles, ich meine wirklich alles aus dem Fenster. Das war so viel, dass bis zum nächsten Mittag keine Straßenbahn fahren konnte, weil die Gleise von unseren Sachen blockiert waren.“ Simha Arom, ein Musikethnologe, 86 Jahre alt, wurde 1930 in Düsseldorf geboren. Der Professor kam mit seiner Frau ins Rathaus und sprach als Zeitzeuge bei der Gedenkveranstaltung zur Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938: „Ich erinnere mich an diese Nacht als ob es gestern gewesen wäre.“

Besonders eindrucksvoll war Aroms kurze Ansprache in Verbindung mit dem Beitrag von Schülern der Stufe 12 des St. Ursula-Gymnasiums. Musikalisch und rhetorisch imponierten die „Ursulinen“ mit viel Substanz. Und Simha Arom, mit dem sie zuvor viel gesprochen hatten, erfreuten die Schüler mit einem besonderen Geschenk: dem Abdruck eines Bildes, das Simhas Bruder als Kind zum Karneval gemalt hat. Es zeigt, wie sehr die beiden Jungen mit dem Leben in Düsseldorf verbunden waren, bevor die Nazis so barbarisch-brutal gegen die jüdischen Düsseldorfer vorgingen.

Arom, der in Paris lebt, erzählte von seinen Eltern, die nicht aus Auschwitz zurückkahmen. Und von einem Leipziger Katholiken, den er vor ein paar Jahren auf einem Autobahn-Parkplatz in der Schweiz kennenlernte. „Irgendwann erzählte ich ihm knapp mein Schicksal, da sagte er: ,Dann ist es doch alles wahr. Sie sind der erste Mensch, den ich treffe, der vom Holocaust betroffen war’ “. Da wurde Simha Arom klar, dass die Shoah immer noch auch von Deutschen geleugnet wird. „Die Verfälschung der Geschichte aber untergräbt die Würde des Menschen“, sagte der Überlebende des Holocaust.

Die Schüler stellten unangenehme Fragen: Nach den Wegschauern und Mitläufern damals und heute. „Für uns besonders erschreckend ist, dass auch die Werte des christlichen Abendlandes ganz schnell vergessen waren“, sagt einer. Und fragt: „Wer von uns hätte sich denn der Weißen Rose angeschlossen?“ Seine ernüchternde Antwort: „Auch heute gäbe es gewiss nur wenige Hans und Sophie Scholls“.

In den Gesprächen mit Arom fragten die Schüler auch nach dem Abend danach, dem Martinsabend 1938, als der Zynismus der Nazis darin gipfelte, dass das St. Martinsfeuer in der Altstadt vor allem durch geplündertes Mobiliar der jüdischen Mitbürger am Brennen gehalten wurde. Ein Versprechen gab die Jugend dem gerührten alten Mann noch mit: „Wir gehen mit wachen Augen durch die Welt.“

Auch OB Thomas Geisel brachte in seiner Rede immer wieder Gegenwartsbezüge ein: „Wir müssen Hass und Demagogie eine klare Absage erteilen, wir dürfen nicht wieder abseits stehen, wenn in der Stammkneipe Unsinn geredet wird oder gar Flüchtlinge angegriffen werden“, sagte er, denn: „Das sind wir Ihnen, Herr Arom, und der jungen Generation schuldig.“

Landtagspräsidentin Carina Gödecke dankte Arom („Wir sind auf Ihre Hilfe beim Erinnern angewiesen“) und lobte Geisels gerade vom Oberverwaltungsgericht gerügte Aktion gegen „Dügida“: „Manchmal muss man ein Licht ausschalten, um Haltung zu zeigen.“ Oded Horowitz, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, schlug einen Bogen von 1938 in die Gegenwart und betonte, wie stolz er sei, dass es in Düsseldorf heute so viel jüdisches Leben — jetzt auch mit einem Gymnasium — gebe: „1945 wäre das vollkommen undenkbar gewesen.“