Prozess gegen mutmaßliche IS-Zelle in Düsseldorf „Ich war schon immer eine Art Pazifist“
Düsseldorf · Beim Prozess gegen eine mutmaßliche IS-Terrorzelle, die auch in Düsseldorf operiert haben soll, hat sich ein Angeklagter geäußert.
Shamsud N. sei schon immer ein Pazifist gewesen. Auch ein fleißiger Arbeiter, der von Baustelle ins Taxi und in die Küche, von Job zu Job, gewechselt sei, um seine Familie zu unterstützen. Die Religion habe er eher vernachlässigt, er sei Vertreter eines liberalen Islams. Andere Lebensweisen akzeptiere er, auch wenn sie ihm fremd seien. Das sagt zumindest Shamsud N. in seiner Erklärung, verlesen von seiner Rechtsanwältin.
Der Generalbundesanwalt schätzt N. anders ein. Gemeinsam mit sechs weiteren Angeklagten soll er in Deutschland eine terroristische Vereinigung gegründet haben, mit dem Ziel, öffentlichkeitswirksame Anschläge in der Bundesrepublik und Westeuropa zu verüben. Ihre Ziele: liberale Muslime, Juden und schließlich alle, die sie als „Ungläubige“ identifiziert haben wollen. Sie sollen Kontakte zum sogenannten Islamischen Staat (IS) gehabt und Gelder für IS-Mitglieder und ihre Familien gesammelt haben. Laut Anklage hat ihnen für die Beschaffung eigener Waffen aber das Geld gefehlt, weshalb sie dazu übergingen, sich mit der Möglichkeit zu befassen, „Ungläubigen“ mit einem Messer den „Kopf abzuschneiden“.
Shamsud N. ist 47 Jahre alt und könnte der Vater der Mitangeklagten sein, nach ihm ist der älteste 31. Er wirkt etwas fehl am Platz, wie er zwischen den jungen Männern sitzt, mit ihren meist modernen Frisuren und Klamotten. Auch wegen des Altersunterschieds, so sagt er, habe er möglicherweise nie ein richtiges Vertrauensverhältnis zu ihnen aufgebaut – besonders sie nicht zu ihm. Dazu habe auch beigetragen, dass er häufig unkonzentriert bei der gemeinsamen Koran-Lektüre gewesen sei und auch sonst nicht die „richtigen“ islamischen Regeln befolgt habe. Er habe auch „die weltlichen Dinge“ genossen, sagt er. Auch Strafen nach dem Scharia-Gesetz habe er abgelehnt. So sollte ein Mitangeklagter mit 80 Peitschenhieben bestraft werden, weil er die Ehefrau eines anderen Anhängers der mutmaßlichen Vereinigung beleidigt habe. Dazu gesagt habe N. aber nichts. „Ich war schon immer Pazifist in diesem Sinne“, ließ er seine Anwältin verlesen.
Nach N.s Angaben hat er die Mitangeklagten in der Ukraine bei der Arbeit auf einer Baustelle kennengelernt. N. ist in Tadschikistan geboren und aufgewachsen, habe aber viele Jahre in Russland und schließlich der Ukraine gearbeitet, um seiner Familie Geld schicken zu können. Manchmal auf dem Bau, aber auch als Koch in einem Café in Kiew und als Taxifahrer. Als Russland in die Ukraine einfiel, sei er mit zwei der Mitangeklagten nach Deutschland gefahren, weil sie ihre Jobs verloren hätten und neue suchten.
Der Generalbundesanwalt wirft N. konkret unter anderem vor, bei einer Geldübergabe im Düsseldorfer Hauptbahnhof 800 Euro entgegengenommen zu haben, die für den IS bestimmt gewesen sein sollen. Er habe das auf Wunsch eines Mitangeklagten gemacht und nicht nachgefragt, er habe nicht neugierig wirken wollen, in seinem Heimatland sei das so üblich. Auch soll ein Mitangeklagter Fotos von möglichen Zielen – einer liberalen Moschee in Berlin und deren Vertretern – an ihn geschickt haben. Er habe die Bilder nicht gesehen, bis seine Anwälte ihm die gezeigt hätten. „Eine solche Gräueltat würde ich niemals unterstützen“, verliest seine Anwältin. Ohnehin hätten ihm die anderen nie vollständig vertraut.
Der Prozess wird am 21. August fortgesetzt, insgesamt sind 45 Prozesstage bis in den Februar 2025 angesetzt.