Herr Zaum, der Worringer Platz gilt schon seit Jahren als Brennpunkt. Warum jetzt ein Sicherheitsprojekt – und nicht schon früher?
Sicherheitsprojekt am Hauptbahnhof in Düsseldorf „Der Worringer Platz hat eine Sogwirkung“
Düsseldorf · Die Grenze des Tolerierbaren sei erreicht. Der alte und neue Ordnungsdezernent möchte mehr Sicherheit rund um den Bahnhof.
Kaum ein Ort steht derzeit so im Fokus wie der Worringer Platz, ein Treffpunkt für Obdachlose und Drogenabhängige. Im September hat die Stadt Düsseldorf das Projekt „Sicherheit im Bahnhofsumfeld“, kurz Sibu, gestartet. Christian Zaum, der zur gleichen Zeit wieder Ordnungsdezernent geworden ist, spricht über diese schwierige Aufgabe, den Platz zu befrieden.
Christian Zaum: Es ist nicht so, als hätten wir am Worringer Platz nichts gemacht, im Gegenteil. Aber es war einfach nicht ausreichend. Und die Entwicklung verschärft sich. Wir beobachten momentan Eskalationen und Auswirkungen, die nicht mehr tolerabel sind. Bei allem Verständnis für die Menschen, die auf der Straße leben – es sind Grenzen dessen erreicht, was die Anwohner ertragen müssen. Das müssen wir wieder auf ein sozialverträgliches Maß bringen.
Wie ist es zu dieser Verschärfung gekommen?
Zaum: Ein Grund ist Crack. Auf diese Sucht ist unser Hilfesystem noch nicht ausreichend ausgerichtet. Der Tagesrhythmus der Abhängigen verschiebt sich völlig aufgrund deutlich kürzerer Rausch-Zyklen, sie sind enthemmt und aggressiv wegen des Suchtdrucks oder aufgeputscht durch die Drogen. Wir stehen im regelmäßigen Austausch mit anderen Städten, die gleiche Probleme beobachten, aber auch da gibt es noch keine richtigen Lösungsansätze.
Wo soll das Projekt also ansetzen?
Zaum: Das ist tatsächlich eine neue Stufe der Herausforderung für uns, so vielschichtig sind die Probleme rund um den Worringer Platz. Aus ordnungsbehördlicher Sicht: Wir wollen zunächst gegen bestimmte Störergruppen vorgehen. Die Süchtigen und Obdachlosen dort sind keine homogene Gruppe, sondern ganz viele Individuen mit anders gelagerten Problemen und Hintergründen. Wir haben identifiziert, dass es darunter Personen gibt, die in beide Richtungen stören: Passanten und Anwohner, aber auch innerhalb der Gruppe. Da treten sie zum Teil massiv gewalttätig auf. Aus unserer Sicht sind diese Störer eine große Ursache dafür, dass es so eine negative Dynamik auf dem Platz gibt. Gleichzeitig gilt aber auch: Jeder Mensch hat das Recht, sich im öffentlichen Raum aufzuhalten. Diesen Spagat müssen wir hinbekommen.
Von wie vielen Störern sprechen wir?
Zaum: Das ist schwer zu sagen, da die meisten auf der Straße leben. Aber oft sind es kleine Gruppen mit starkem Zusammengehörigkeitsgefühl, etwa aufgrund der Sprache und Nationalität. Diese Gruppen kapseln sich ab und sind auch für Hilfsorganisationen nur noch schwer zu erreichen. Wir wollen sie robust ansprechen und auch Grenzen aufzeigen.
Wir sprechen hier von ordnungsbehördlichen Maßnahmen?
Zaum: Genau. Das Ordnungsamt kann beispielsweise Bußgelder und Platzverweise erlassen, die Polizei Bereichsbetretungsverbote. Ja, das hat Verdrängungseffekte, das ist klar, aber das müssen wir in Kauf nehmen.
Der Ordnungs- und Servicedienst ist da in einer undankbaren Position. Einerseits fordern Anwohner mehr Präsenz, andererseits werden die repressiven Maßnahmen von Sozialarbeitern als kontraproduktiv erachtet. Wie findet man die richtige Balance?
Zaum: Das ist die schwierigste Aufgabe und ein langsames Herantasten. Wenn wir mit Polizei und Ordnungsamt auf dem Worringer Platz kontrollieren, schaffen wir an anderen Stellen Probleme, das ist uns bewusst. Zum Beispiel, weil sich die Menschen in Hauseingänge zurückziehen. Das kann nicht das Ziel sein. Repressive Maßnahmen und Hilfsangebote müssen ineinandergreifen. Wir müssen uns aber auch fragen: Ziehen die Hilfsangebote eine bestimmte Klientel überhaupt an?
Wie meinen Sie das?
Zaum: Wir müssen als Stadt unser eigenes Hilfsangebot hinterfragen. Denn wir stellen fest: Der Worringer Platz hat eine Sogwirkung. Das bestätigen auch die Streetworker. Wir werden immer Obdachlose und Drogenabhängige dort haben, denen wir helfen werden und müssen. Viele dieser Menschen kennen wir schon lange, aber es kommen zunehmend neue hinzu, darunter welche, die Unruhe stiften.
Aber keine Hilfsangebote sind ja auch keine Lösung.
Zaum: Es ist eine verzwickte Situation – wir möchten den Menschen auf der Straße helfen und zugleich keine Sogwirkung auslösen. Eine Überlegung wäre, das Angebot für einen bestimmten Personenkreis zu begrenzen, zum Beispiel für Leute, die wir Düsseldorf zuordnen können. Das ist aber extrem schwierig. Viele kommen aus dem europäischen Ausland, teilweise über den sogenannten Baustrich oder die richtige Prostitution hierhin und fallen durch alle Raster. Diese Menschen haben auch in ihrer Heimat keine Basis mehr. Trotzdem können wir nicht jedes Verhalten dulden.
Welche Schritte umfasst das Projekt darüber hinaus?
Zaum: Wir brauchen eine Mischung aus kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen aus unterschiedlichen Bereichen, um eine Stabilisierung des Platzes zu erreichen. Das Projekt ist nicht umsonst auf drei Jahre angelegt. Kurzfristig werden wir ein Quartiersmanagement einführen, als Ansprechpartner vor Ort. Mittelfristig wollen wir den Platz besser beleuchten. Auch die Sitzgelegenheiten werden wir uns noch einmal genauer anschauen, die Bänke werden immer wieder für den Drogenhandel genutzt. Langfristig werden wir auch über verkehrliche und städtebauliche Umstrukturierungen nachdenken.
Sibu ähnelt dem Vorgängerprojekt aus der Altstadt. Welche Erfahrungen können sie daraus ziehen?
Zaum: Viele. Wir haben in der Altstadt die Erfahrung gemacht, dass wir unsere Schlagkraft erhöhen, wenn wir uns als Ordnungsamt und Polizei institutionell unterhaken. Das schafft ein besseres Verständnis für die jeweils anderen Aufgaben und wir funktionieren als Sparringspartner. Die Bundespolizei, Polizei, Deutsche Bahn und Rheinbahn sind an Sibu beteiligt, weil sie das Projekt auch für richtig halten.
Was bedeutet die Arbeit auf dem Worringer Platz für Ihre Mitarbeiter?
Zaum: Sie sind quasi durchgehend rund um den Platz unterwegs, nicht immer mit einer Standstreife, aber im gesamten Bahnhofsumfeld. In der Ausbildung ist der Umgang mit Menschen mit dem Lebensmittelpunkt auf der Straße bereits ein zentraler Punkt.
Die Stellen beim Ordnungsamt wurden in den vergangenen Jahren stark aufgestockt. Wie läuft die Personaloffensive weiter?
Zaum: Das muss man stark differenzieren nach den Fachbereichen. Beim OSD haben wir eine sehr junge Belegschaft, da bieten wir einen attraktiven Arbeitsplatz und sind vom demografischen Wandel weniger betroffen. Hier können wir durchatmen. Das sieht in anderen Abteilungen jedoch anders aus. Bei der Verkehrsüberwachung haben wir ein höheres Durchschnittsalter und eine höhere Fluktuation. In der Corona-Zeit gab es dort einen starken Zulauf aus Branchen wie der Gastronomie. Viele dieser Mitarbeiter sind nun aber wieder zurückgekehrt in ihre ursprünglichen Berufe.
Woran liegt es, dass die Unterschiede bei den Außendiensten OSD und Verkehrsüberwachung so groß sind?
Zaum: Es sind unterschiedliche Strukturen, etwa beim Gehalt. Beim OSD stellen wir mit abgeschlossener Ausbildung oder Berufserfahrung ein und bilden selbst aus. Da gibt es auch die Möglichkeit der Verbeamtung. Die OSD-Kräfte brauchen umfassendere Rechtskenntnisse und sind viel häufiger mit Konfliktsituationen konfrontiert.
Vor allem der OSD ist stark gewachsen, hat sich beinahe verdoppelt. Mit welchen Folgen?
Zaum: Wir haben schlicht und einfach die Präsenz erhöhen können. Das sieht man auf der Straße und ich sehe es tagtäglich an den Einsatzberichten, da alle Beschwerden des Tages abgearbeitet werden können. Es gab Zeiten, in denen das nicht möglich war. Die Einsatzkräfte schaffen es auch vermehrt, in den Stadtteilen präsent zu sein, als Streife, ohne Anlass. Und bei Großveranstaltungen wie Karneval können wir einfach mit mehr Leuten vor Ort sein.