Zwei Jahre Ukrainekrieg „Mein Ziel ist die deutsche Staatsbürgerschaft“

Düsseldorf · Maria Lebedeva floh mit ihrer Tochter aus Kiew nach Düsseldorf. Ein Erfahrungsbericht über Arbeit, Pläne – und zerkratzte Autotüren.

Maria Lebedeva (37) am Hofgarten: Im März 2022 floh sie mit ihrer Tochter Anastasia nach Düsseldorf, die beiden wurden von Freunden ihrer Eltern aufgenommen. Heute leben sie in einer Einzimmerwohnung in Unterrath.

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Der Raum, in dem Maria Lebedeva ihre Geschichte erzählt, dient normalerweise Geschäftszwecken: weißer Konferenztisch, Beamer, Getränketablett. Es ist das Besprechungszimmer im Büro ihres Arbeitgebers, direkt am Hofgarten. Nur wenige Monate nach ihrer Flucht fand die Ukrainerin hier einen Job als Analystin. Warum sie mit ihrer Tochter die Heimat Richtung Düsseldorf verließ, wie sie so schnell Arbeit fand und was ihre Pläne sind – davon hat sie erzählt. So entstand folgender Bericht, formuliert aus ihrer Sicht:

„Am 24. Februar 2022 fielen Bomben auf meine Heimatstadt Kiew. Ich habe schnell ein paar Sachen gepackt und bin mit meiner Tochter Anastasia in den Westen der Ukraine gefahren. Dort wohnen Verwandte von uns. Erst dachte ich, wir kommen schnell wieder nach Hause. Stattdessen wurde alles immer schlimmer. Als ich nach zwei Wochen aus dem Fenster eine Rakete sah, die dann in den Flughafen einschlug, wusste ich: Wir müssen weg.

Mir kam direkt Deutschland in den Sinn, weil ich die Sprache schon auf dem Gymnasium in Kiew gelernt hatte. Außerdem war ich als Schülerin mal für einen Monat in Bayern. Deutsch konnte ich also noch ganz gut. Und weil Freunde meiner Eltern schon seit Längerem in Düsseldorf leben, bin ich mit Anastasia am 7. März losgefahren.

Wir kamen erst nach drei Tagen an, die Reise war sehr beschwerlich. Ich hatte eine Route über Rumänien und Ungarn gewählt, um den Stau an der Grenze zu Polen zu vermeiden. Aber auch so mussten wir zwei Mal fast zwölf Stunden warten und im Auto schlafen. Als wir dann endlich nachts in Düsseldorf ankamen, dachte ich: Jetzt können wir alles schaffen.

Die ersten Wochen und Monate stand ich wegen des Krieges total unter Schock. Ich wollte unbedingt Arbeit und eine Wohnung finden, um mich zu beschäftigen und nicht verrückt zu werden. Dass es in Deutschland so etwas wie Bürgergeld gibt, wusste ich vorher gar nicht. Aber es wurde mir direkt nach der Ankunft angeboten, daher habe ich diese Möglichkeit genutzt – für weniger als zwei Monate, dann hatte ich einen Job.

Über Kontakte bekam ich ein Bewerbungsgespräch bei BKR Transaktionspartner, einer Beratung für den Kauf von Unternehmen. Den Geschäftsführern hat gefallen, dass ich Englisch und Deutsch spreche und einen Master-Abschluss in Wirtschaft habe. Außerdem mochten sie meine Erfahrung als Unternehmerin, schließlich habe ich vor acht Jahren eine Kita in Kiew gegründet und führe die Geschäfte bis heute. So bekam ich eine Stelle als ,Research Analystin‘.

Ich erinnere mich gut an meinen ersten Arbeitstag im Düsseldorfer Büro, es war der 16. Mai 2022. Ich war aufgeregt, auch wegen der deutschen Sprache. Zwar hatte ich im Sprachkurs offiziell ein „B2-Niveau“ erreicht, aber manche Wörter hatte ich noch nie gehört. ,Herunterfahren des PCs‘ zum Beispiel. Es gibt für jedes Detail ein eigenes Wort, das finde ich nett. Bis heute rede ich mit allen im Team Deutsch, das hat mich enorm weitergebracht. Und ich mache viel mit Zahlen, die sprechen für sich.

Der zweite wichtige Schritt war eine eigene Wohnung. Auch da haben mir die Leute hier geholfen, dafür bin ich sehr dankbar. Seit Juni 2022 wohnen Anastasia und ich in einer Einzimmerwohnung in Unterrath. Sie ist jetzt fast elf Jahre alt, geht schon aufs Gymnasium und kommt bald in die Pubertät. Deswegen will ich dieses Jahr in eine größere Wohnung ziehen.

Ansonsten habe ich keine langfristigen Pläne für meine Zukunft. Der Krieg hat mir gezeigt, dass sich das Leben in kurzer Zeit komplett ändern kann. Ich rechne nicht damit, dass es bald Frieden geben wird. Deshalb versuchen wir, uns in Düsseldorf gut einzugewöhnen.

Ich mag die Stadt sehr: Man kann viel machen und der Rhein erinnert mich manchmal an den Fluss Dnepr in Kiew. Ich vermisse meine Heimat, aber ich habe hier schon so viel geschafft und bekomme auch viel zurück.

Meine Tochter nimmt Reitunterricht wie früher in der Ukraine, sie mag die deutsche Schule. Und ich kann neben der Arbeit meinem Hobby Yoga nachgehen. Außerdem leiste ich ehrenamtliche Hilfe für ukrainische Waisenkinder und spende für die Ukraine. All das gibt meinem Leben einen Sinn.

Das Einzige, was mich in Düsseldorf stört: Mir hat schon drei Mal jemand mein Auto beschädigt. Erst waren die Scheibenwischer weg, dann wurde der Lack komplett zerkratzt – im Parkhaus und an unserer Unterrather Wohnung. Ich kann nichts dagegen tun, außer vielleicht das Kennzeichen zu ändern.

Abgesehen davon aber habe ich hier keine Konflikte, die Leute sind sehr freundlich zu mir. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir noch länger in Deutschland bleiben. Deshalb werde ich versuchen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen.“