855 Jahre Oedt Eine Reise in die Oedter Vergangenheit
Oedt · Im Jahr 1170 wurde Oedt erstmals urkundlich erwähnt, eine erste Siedlung gab es allerdings vermutlich schon zur Römerzeit. Wie die Menschen in Oedt vor 800 Jahren lebten, lesen Sie hier.
2020 wollten die Oedter eigentlich das Jubiläum zum 850-jährigen Bestehen ihres Ortes feiern – im Jahr 1170 wurde Oedt erstmals in einer Urkunde als „Hude“ erwähnt. Doch die Corona-Pandemie machte auch den Oedtern einen Strich durch die Rechnung, weswegen nun 2025 zum 855. Geburtstag gebührend gefeiert werden soll, und zwar am 6. und 7. November an der Burg Uda. Doch wie lebte es sich seinerzeit überhaupt im heute zu Grefrath gehörenden Oedt?
Vor acht Jahrhunderten gab es noch keine Burg Uda und auch kein Dorf Oedt. Aber es gab schon eine Kirche – die war allerdings so klein, dass man besser von einer Kapelle sprechen sollte. Im Oedter Land gab es eine Reihe von Höfen, die alle der Benediktinerabtei zu Gladbach, heute Mönchengladbach, abgabenpflichtig waren. Die Kapelle im Kirchspiel Oedt war, wie die Abteikirche in Gladbach, dem Heiligen Vitus geweiht. 1170 wird sie in einer Urkunde des Abtes Robert benannt, als er den Standort des benachbarten Hofes, dem Sal- oder Herrenhof, mit „zu Oedt [hude] in unserer Kirche“ lokalisierte.
Wahrscheinlich war die romanische Kapelle aber schon 200 Jahre früher errichtet worden, wie archäologische Grabungen am Standort der heutige St.-Vitus-Kirche nahelegen. Es werden sich um Salhof und Kapelle Handwerker und Händler mit ihren Familien angesiedelt haben, die dann als Kirchspiel den Urkern von Oedt bildeten.
Es gibt aber auch Hinweise, dass Oedt vielleicht schon als kleine Siedlung zur Römerzeit existierte. In der Nähe der Kirche fand man vor wenigen Jahren zwei große römische Bausteine, die aus dem nahen Liedberger Steinbruch stammen. In den vier Jahrhunderten nach Christus haben nur die Römer diesen Steinbruch genutzt, um ihre Befestigungsanlagen und Häuser zu bauen. Die entstanden nicht nur am Rhein (wie Köln, Neuss und Xanten), sondern in bescheidener Ausführung auch an der Niers, wie die Anlage in Goch beweist. Geologen vermuten, dass diese beiden gefundenen Liedbergsteine zu einer befestigten Anlegestelle an der Niers gehört haben könnten. Wo eine Anlegestelle war, dürfte auch eine kleine Siedlung bestanden haben, nämlich das frühe römische „loca huda“. Weitere Funde auf und um das Kirchplateau sollten diese These künftig noch untermauern.
Der Urrhein speiste
damals die Umgebung
Da das Jubiläumsjahr 2025 auf die Erwähnung der St.-Vitus-Kapelle zurückgeht, kann man sich fragen, wie die Oedter im 12. Jahrhundert eigentlich gelebt haben. Das Oedter Land zwischen dem Niederfeld im Norden und Clörath im Süden war sumpfig und waldreich, teils fruchtbar, teils sandig. Denn zwischen den Flüsschen Niers, Schleck, Floeth und Schup floss zur Zeit der letzten Eiszeit der Urrhein, der diese Ablagerungen mitbrachte. Die Höfe wurden auf Donken, leichten Erhöhungen und damit auf Sandbänken errichtet. Ziegelbauten gab es noch nicht, denn erst die Burg Uda, errichtet zu Anfang des 14. Jahrhunderts, gehört zu den ersten Backsteinbauten am Niederrhein. Vorher wurde mit Holz, Stroh und Lehm gebaut – noch gut zu sehen im Niederrheinischen Freilichtmuseum in Grefrath.
Und wie waren die Menschen in dieser Zeit bekleidet? Sie trugen Fell- und Lederkleidung, Schuhwerk aus Holz und zum Teil aus Leder. Denn hier gab es viel Wild, wie Hirsche, Hasen, Füchse und Fasane. Oder auch Haustiere wurden gehalten, wie Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Hühner und vor allem die bekannten Oedter Gänse. Menschen und Tiere lebten unter einem Dach. Das Fleisch der Tiere sorgte auch für abwechslungsreiche Mahlzeiten, die über der offenen Feuerstelle oder zum Teil auch auf dem gemauerten Herd mit festem Abzug, wie in der Burg Uda, zubereitet wurden. Seen und Bäche lieferten Krebse und Fische. Es gab viel Brot, Fleisch und Gemüse. Auch Kinder mussten beim Kochen helfen.
Erlen, Eichen, Birken, Kiefern, Ulmen und Linden lieferten nicht nur Brenn- und Bauholz, sondern Haselnuss und Obstbäume sorgten für eine Vielzahl von Beeren und Kernobst. Rund die Hälfe der hiesigen Wälder bestand seinerzeit aus Erlen. Dieses Holz eignet sich besonders zur Herstellung von Holzkohle oder hier in der sumpfigen Gegend sehr gut für den Pfahlbau, da es wasserunempfindlich ist.
Normalerweise ernährte man sich mit dem dunklen Roggenbrot, das leicht säuerlich schmeckte. Die Adeligen bevorzugten hingegen Weißbrot, das aus Weizen und Gerste zubereitet wurde. Wichtigstes Getränk waren Quell- oder Brunnenwasser, Obstsäfte, Milch, Wein und Bier – sogar für die Kleinen, denn Wasser war oft verunreinigt und konnte krank machen.
Zahlreiche Kleinfunde zeugen vom Leben auf der mittelalterlichen Burg Uda. Weit über einhundert Krüge, Schalen, Schüsseln, Töpfe und kleinere Gefäße aus Keramik und Holz in verschiedenen Ausführungen und Größen wurden gefunden. Nur in sehr reichen Häusern wurden Gefäße aus Metall und Glas benutzt. Auch ein hölzerner und ein lederner Schuh wurden gefunden, der über den Stoffschuh getragen wurde. Unter den Funden nehmen eine Reihe grün glasierte Ofenkacheln, zum Teil mit Ornamenten aus dem Tier- und Pflanzenleben, eine besondere Stellung ein. Von den kriegerischen Auseinandersetzungen zeugen noch heute die geborgenen Kanonenkugeln aus Stein und Eisen.
Die Wasserburg Uda wurde im Sumpfgebiet der Niersniederung gebaut. Stabilität erreichte man hier nur durch eine Vielzahl von Pfählen aus Erlenholz, verstärkt durch Eichenbalken. Und trotzdem musste der Südwestturm zweimal gebaut werden, weil der erste kurz nach seiner Errichtung umstürzte. Dieser eckige Turm steht auch heute nicht mehr, doch der gegenüberliegende Rundturm im Südosten war und ist das Wahrzeichen der Gemeinde Oedt.
Wer im Sommer die Burg besichtigt, hört immer wieder die typische Kinderfrage: „Wer isst, muss sich doch auch irgendwann mal hinhocken. Aber wo?“ Für die Hof- und Dorfbewohner waren der Garten und der Wald dafür groß genug. Aber in der Burg gibt es dafür in einem der oberen Stockwerge einen Abort, der zur Niersseite weit herausragt. Wer‘s nicht glaubt, möge sich selbst bei einem Besuch überzeugen, spätestens sicher auf dem Jubiläumsfest im September 2025.