Sexualität Krefelder Jugendliche engagieren sich gegen Homophobie
Nach einem Jahr in Krefelder Schulen freut sich das Aufklärungsteam Schlau über positive Resonanzen. Nachwuchs wird gebraucht.
Krefeld. Warum wird man lesbisch? „Weil die Eltern einen zuviel mit Autos haben spielen lassen. Oder weil man bei Jungs immer nur abgeblitzt ist. Oder weil man hässlich ist ...“ Die Liste geht weiter. Mara Schulte zählt einige Antworten auf, aber es sind nicht ihre eigenen Worte. Die 19-Jährige macht Aufklärungsunterricht für Schlau.
Schlau steht für „Schwul Lesbisch Bi Trans Aufklärung in NRW“. Im Rahmen von Projekttagen geht Mara zusammen mit ihren Kollegen, anderen homo-, bi- oder transsexuellen Freiwilligen, in Klassen. Das Angebot richtet sich an alle Schulformen, von der 7. Klasse aufwärts.
Mit unterschiedlichen Methoden und Spielen werden Begriffe erklärt, Vorurteile hinterfragt und die eigene Meinung reflektiert. Der vielleicht wichtigste Teil des Schlau-Konzepts: Mara und die anderen antworten auf alle Fragen der Schüler, erzählen aus der eigenen Biografie. Um Berührungsängste zu nehmen und Akzeptanz zu schaffen.
Die Antworten und Vorurteile, die vielen Schülern zu der Frage einfallen, warum Mädchen und Frauen wie Mara lesbisch sind, hat die Abiturientin von der Wichtigkeit ihrer Mission überzeugt: „Die Arbeit ist bitter nötig.“ Denn Liebes- und Lebensformen sind heute vielfältiger denn je. Regenbogenfamilien, alleinerziehende Mütter und Väter: Modelle jenseits von „Vater, Mutter, Kind“ werden immer sichtbarer in der Gesellschaft.
„Das muss auch in der Schule besprochen werden“, sagt Philipp Einfalt. Dem Vorsitzenden der Lehrergewerkschaft ist die Zusammenarbeit mit Schlau deshalb wichtig. Dass die jungen Ehrenamtler alle selbst homo-, bi- oder transsexuell sind, sieht er als großen Vorteil. Als Ergänzung zum Aufklärungsunterricht durch die Lehrer, können sie die Fragen der Schüler glaubwürdig beantworten.
Gerade für Heranwachsende, die selbst noch nie bewusst Lesben, Schwulen oder Transsexuellen begegnet sind, geben dem „anders sein“ ein Gesicht.
Statistisch gesehen sind fünf bis zehn Prozent der Bevölkerung homosexuell. Also ein bis zwei Schüler jeder Klasse und mindestens eine Handvoll Lehrer in einem durchschnittlichen Kollegium.
Doch längst nicht alle gehen offen mit ihrer Sexualität um. Die Angst vor Ablehnung und Mobbing hält viele davon ab sich zu outen. „Wir möchten Jugendliche in ihrer Identität ermutigen“, sagt die Hauptkoordinatorin von Schlau Krefeld, Anja Wiese. Ab und zu werden sie und Mitkoordinatorin Pia Günther mit der Sorge konfrontiert, der Unterricht provoziere eine „Verschwulung“ der Jugendlichen. Pia Günther kontert: „Durch die Workshops wird keiner schwul! Aber wenn es eben so ist, wird es für die Jugendlichen weniger dramatisch.“ Dem stimmt auch der Vorsitzende der Lehrergewerkschaft zu. „Die Kinder sollen sehen, dass auch Leute mit anderer sexueller Ausrichtung ganz normal sind. Mit normalen Lebenswegen und -modellen.“
Ein Jahr ist es her, dass der Startschuss für Schlau gefallen ist. Die Rückmeldungen der Schulen seien durchweg positiv, berichtet Anja Wiese nicht ohne Stolz. Damit Schlau nach den Ferien weiterhin alle Schulanfragen annehmen kann, braucht das Team allerdings Verstärkung. Die jungen Ehrenamtler suchen deshalb 16- bis 25-Jährige, die sich auch für Akzeptanz und Vielfalt starkmachen wollen. Freiwillige dürfen alles sein, nur nicht heterosexuell. „Je verschiedener, desto besser“, sagt Pia Günther. Wichtige Voraussetzung: Alle, die mitmachen, müssen geoutet sein. Wie es ist, sich Eltern und Freunden zu offenbaren, gehört zu den häufigsten Fragen.