Monheim: Ein Jahr Ankara – Abenteuer zwischen zwei Welten

Christa Steinbüchel lebte mit Ehemann Peter in Ankara. Im Rückblick berichtet sie von einer Stadt mit zwei Gesichtern – vor allem aber von vielen interessanten Begegnungen.

Monheim. Ein "Abenteuer zwischen zwei Welten" sei es gewesen, ein Jahr voller Absonderlichkeiten in einem anderen Kulturkreis. Nun liegt es hinter Christa Steinbüchel - und zurück im trauten Monheimer Reihenhaus vermisst die 62-Jährige die Sonne und "den besten Muezzin der Welt". Heute vor einem Jahr lebte sie noch in Ankara, vermisste die Unbefangenheit der Deutschen und guten Kaffee.

Es war Ehemann Peter Steinbüchel, Veterinär im Düsseldorfer Verbraucherschutzamt, dem sich dank eines EU-Projekts die Möglichkeit bot, den rheinischen Alltag gegen den türkischen einzutauschen. "Wir waren sofort neugierig und bereit für die Herausforderung", erinnert sich Christa Steinbüchel, die als Gymnastiklehrerin arbeitet. "Auch wenn ich bei ersten Recherchen erfuhr, dass Ankara vor zehn Jahren noch die schmutzigste Stadt der Welt war."

Zwölf Monate in der Türkei bedeuten zwölf Monate fernab von Familie, Haus und Katerchen Paul. Vorgestellt hatte sie sich dafür wenigstens eine Wohnung mit Dachgarten, von dem sie auf die pulsierende Stadt hinabschauen würde. Ein Dachgarten wurde es nicht, dafür eine Dachwohnung mit Balkons, bunten Sesseln und großen Fenstern, durch die der Ruf des Muezzins schallte.

"Ankara lag uns zu Füßen", lacht Christa Steinbüchel, "aber auch der graue Dreckteppich in der Luft." Ihre ersten bunten Eindrücke von der türkischen Metropole: "Überall Kioske und Atatürk-Flaggen, an den Bäumen hängen Holzklingelkästen als Taxiruf, und bei jedem Besuch bekommt man blaue Plastiküberschuhe."

Im Goethe-Institut hat sie schnell neue Kontakte knüpfen können. Zu den Einheimischen habe man aber oft eine gewisse Distanz gespürt: "Man schaut sich nicht an. Ich habe mir glatt abgewöhnt, einfach jemanden anzulächeln."

Gedanken an einige Begegnungen auf Reisen lassen sie aber sofort übers ganze Gesicht strahlen - die mit einer fremden Bauernfamilie zum Beispiel: "Es kam ein Kurde in wallendem Tuch hinausgerannt und bat uns herein. Da knieten wir wie im Film auf bunten Teppichen, der Sohn übersetzte und man unterhielt sich mit Händen und Füßen."

Bis auf einige Floskeln hatte Steinbüchel nämlich die türkische Sprache nicht gelernt. Überall auf der Welt wird Englisch gesprochen? Irrtum: "Im Laden musste man oft jemanden holen, der entfernt mal von Englisch gehört hatte." Doch wer braucht schon ausgefeilte Sprachkenntnisse für kommunikatives Beisammensein? Die Monheimerin funktionierte einfach ihr Wohnzimmer in einen "Salon" um und gab dort Gymnastik-Unterricht - mit Blick über die ganze Stadt.

Im Nachhinein sind es die "zwei Gesichter Ankaras", die ihr besonders im Gedächtnis geblieben sind: Luxuriöse Malls neben Straßenverkäufern und schmutzigen Armenvierteln. "Die Frauen dort wissen, dass sie nicht so hoch angesehen sind wie die Männer." Selbst Akademikerinnen seien nie ohne einen Bruder unterwegs. Eines ihrer Fotos zeigt eine Frau am Strand - im Ganzkörperbadeanzug.

Richtig heimisch wurde sie in Ankara nicht, erzählt Christa Steinbüchel heute. Alle sechs Wochen ging es mit dem Flieger nach Deutschland. "Ich hatte auf einmal zwei Leben. Doch egal, wo ich war: Eins fehlte."

Trotz der gemischten Gefühle fällt ihr Fazit des Abenteuers aber positiv aus: "Das ganze Land, die Menschen, die Landschaft haben mich sehr beeindruckt, und ich habe ganz neue Blickwinkel gewonnen." Geblieben ist vor allem eines: Gelassenheit. "Es war toll zu sehen, wie man damit umgeht, seinen Alltag in einem fremden Land völlig neu zu strukturieren - und zu erleben, dass man es kann."