Wie der Rhein sein Bett verlagert

Experten beschauen den Boden der Rheinaue um Haus Bürgel und beschreiben, wie Sedimente den Strom in ein neues Bett gezwängt haben.

Monheim. Was der Rhein uns so alles hinterlässt, erschöpft sich nicht in Strandgut und Treibholz. Das machen Georg Schollmeyer und Gerhard Milbert vom Geologischen Dienst NRW am Samstag in ihrem Vortrag in Haus Bürgel deutlich. Was wirklich interessant ist, ist für den Laien unsichtbar im Boden verborgen und führt 30 Millionen Jahre zurück in der Flussgeschichte, als die Nordsee sich noch nach Süden ausbreitete und uns viel aufgestapelte Ablagerungs- und Schicht-Gesteine (Sedimente) hinterließ.

Bemerkenswert: In den Leichlinger Sandbergen fanden sich Muscheln, die viele Millionen Jahre alt sind. Sogar einen Walwirbel, den Sedimente bei Goch freigaben, bringen die Experten mit nach Baumberg.

Doch vor allem ist es der Rhein, der im 14. Jahrhundert seinen Lauf veränderte und das Römerkastell Haus Bürgel auf einmal auf die rechte Rheinseite verlagerte, der die zahlreichen Zuhörer interessiert. Denn ab diesem Zeitpunkt war Zons nicht mehr fußläufig in wenigen Minuten zu erreichen. Schuld daran sind unter anderem Hochwasser und Fließgeschwindigkeit des Flusses, der seit eh und je für Erosionen sorgt, aber auch jede Menge Geröll unterschiedlicher Körnung mit sich führt, die er auf seinem Weg zurücklässt. Die schaffen neue Durchlässe und Blockaden, so dass der Fluss sich die kürzesten Wege mit dem geringsten Widerstand sucht. Wer heute gräbt, findet Quarze, Tonstein, Eisenkiesel, Achate, Bims und mehr im Untergrund.

Dass der Rhein in der Urdenbacher Kämpe und in Baumberg noch die Möglichkeit hat, über die Ufer zu treten, begeistert vor allem Gerhard Wilbert. „Das ist nicht mehr oft der Fall bei uns in Deutschland“, sagt er. . Und so verwundert es denn nicht, dass der hiesige Auenboden um Haus Bürgel zum Boden des Jahres gekürt wurde, aufgrund seiner vielen unterschiedlichen Sedimente, die seit Millionen Jahren Zeit hatten, sich dort abzulagern. „Nicht nur die Haselmaus muss geschützt werden, auch der Boden ist schützenswert“, sagt Wilbert. Zumal die Schwebstoffe, die das Hochwasser mit sich führt, nach dem Versickern des Wassers oft wertvollen Humus hinterlassen, auf dem viel wächst. Dabei vergisst er nicht zu erwähnen, dass natürlich auch dabei der Mensch seine Hand im Spiel hat und es oft gedüngter Ackerbodenabtrag ist, den der Rhein mit sich führt und hinterlässt. 20 Zentimeter Boden können so in rund zehn Jahren aufgebaut werden.

Das Erdreich um Haus Bürgel ist nicht nur Zeuge früherer Besiedlungen und gibt Reste von Schafs- und Ziegenknochen sowie alte Keramikscherben frei, er beherbergt auch auf einem Quadratmeter in 30 Zentimeter Tiefe 1,8 Billionen Individuen. Röntgenaufnahmen ergaben außerdem eine gewaltige Liste an Schwermetallen: Silber, Kupfer, Chrom, Nickel, Zink, Arsen und Blei, Letzteres auch durch Autoabgase. Dem Katalysator hätten wir es aber zu verdanken, dass der hohe Bleigehalt zum Beispiel in Waldböden immerhin um 60 Prozent zurückgegangen sei, sagt Wilbert. Ein Funken Hoffnung.