Berufswahl: Achtklässler an der Werkbank
Albert-Schweitzer-Hauptschüler nutzen derzeit ein neues Angebot der Kreishandwerkerschaft. Die zeigt ihnen ganz praktisch verschiedene Berufsbilder.
Erkrath/Mettmann. Die Uhr in der Metallwerkstatt zeigt 12 an, und Julia Bänsch hat gerade das dritte Pflaster um einen Finger gewickelt. "Für Handschuhe war ich zu faul", sagt die 15-Jährige und grinst breit. Sie ist trotz der Wunden zufrieden: Seit gestern hat sie einen ansehnlichen Bilderrahmen aus Metall gebaut, hat gestanzt und geschnitten, den Bolzenschneider bedient und Bleche mit dem Hammer geglättet. "Das hat Spaß gemacht - ich hätte es mir schlimmer vorgestellt", sagt sie.
Julia ist eine von 30 Schülern, die die Albert-Schweitzer-Schule nach Mettmann in die Werkstätten der Kreishandwerkerschaft geschickt hat. Jeweils drei Tage lang dürfen sie in Gruppen drei Berufsfelder erkunden. Zur Auswahl stehen die Holz- und die Metallwerkstatt, das Friseurhandwerk und die Malerabteilung.
Bevor es losging, hatte Julia Bänsch keine Ahnung, was sie mal nach der Schule machen soll. Jetzt ist das etwas anders: "Maler könnte ich mir vorstellen", sagt sie, allerdings sehr zögerlich. "Das hört sich so männlich an."
In der Werkstatt herrscht ohrenbetäubender Lärm. An einer Werkbank kniet ein Mädchen auf einer Europalette, damit sie an das eingespannte Werkstück heran kommt. Nebenan hämmern zwei Schülerinnen auf lose, kleine Blechstücke ein. Die springen natürlich weg. Roland Derwell, der Meister und Ausbilder in der Metallwerkstatt, beobachtet das vergnügt: "Manche Mädchen haben eben Angst, ihre Finger zu treffen", sagt er.
Dennoch haben ihn die vergangenen Tage darin bestärkt, dass es mehr Metallbauerinnen geben sollte. "Die Mädchen sind hoch motiviert, vielleicht sogar motivierter als die Jungengruppen."
Einige der Jungs versuchen sich derweil zwei Stockwerke höher als Maler. Lucas Gonsior steht vor einem Portrait von Homer Simpson und zieht gerade die Konturen der Comicfigur nach. Die Flächen hat er schon mit Dispersionsfarbe gefüllt, die Formen vorher mit Kohle angezeichnet, die Vorlage aus dem Internet geladen.
"Das ist nicht so mein Ding", murmelt er. "Ich kann das einfach nicht." Dem 13-Jährigen, der deutlich reifer wirkt, liegt mehr das harte Metall. Mit dem Schweißen ist er warm geworden. Ob er aber mal ins Handwerk geht, weiß er trotzdem nicht. "Ich versuche Fachabi zu machen - und dann mal seh’n."
Malermeister Peter Pietralszyk, der die Jungs anleitet, ist vom Nutzen des Projekts überzeugt. Schließlich malt er mit den Schülern nicht nur Bilder. Er macht auch Theorie mit ihnen: "Sie sollen hier zwar Spaß haben, aber ich sage ihnen auch, wie es später auf dem Bau ist, dass man auch mal Eimer schleppen muss." Und dass man nur selten amerikanische Traumautos, Spongebob Schwammkopf oder Superhelden malen darf.
Dafür hat er sich ein komplexes Werkstück ausgedacht, an dem die Schüler viele Techniken des Handwerks testen können: Auf einer Platte kleben sie ein Motiv ihrer Wahl ab, tragen dicke Strukturpaste auf und ziehen die Bänder dann ab. Danach wird bemalt und lackiert. Das sieht gut aus - und ist nah am Berufsleben. Die Jungs sind konzentriert bei der Sache. "Ich bin sehr erstaunt, auf welchem Niveau das hier läuft", zeigt sich Pietralszyk beeindruckt.
Lucas Gonsior ist inzwischen mit dem Homer-Bild fertig und überlegt, was er damit machen soll. "Das häng ich auf - oder werfe es weg. Mal sehn."