Erkrath: Betrug - Edelmänner oder Raubritter
War beim endgültigen Untergang des ehemaligen Edelstahlwerks Pose-Marré Betrug im Spiel? Ex-Manager des Werks müssen sich seit Freitag vor dem Landgericht verantworten.
Erkrath/Wuppertal. "Die Schließung war von langer Hand geplant, man wollte nur noch auf Kosten der Mitarbeiter Geld einsparen." Dieser Satz, den Johannes Kempa, am 27. September 2002 sprach, könnte wahrer sein, als es dem Betriebsratsvorsitzenden des ehemaligen Edelstahwerks Pose-Marré damals dämmerte. In einem Prozess vor der Wirtschaftsstrafkammer des Wuppertaler Landgerichts geht es seit Freitag um die Frage, ob beim endgültigen Untergang des ehemaligen Edelstahlwerks Pose-Marré Betrug im Spiel war. Vier Geschäftsführer, die sich dieses Verbrechens schuldig gemacht haben sollen, sind wegen gewerbsmäßigen Betrugs in 17 Fällen angeklagt.
Das Quartett soll durch falsche Angaben gegenüber dem Düsseldorfer Arbeitsamt Kurzarbeitergeld in Höhe von 879 000 Euro und Leistungen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds von 933 000 Euro erschlichen haben. Geld das ihnen nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht zustand.
Drei der Angeklagten übernahmen als Geschäftsführer 2000 die in Insolvenz geratene Stahlguss-Firma. Der Vierte war Geschäftsführer einer Qualifizierungsgesellschaft, die den überwiegenden Teil der Mitarbeiter der in Insolvenz gegangenen Firma eingestellt hatte.
Diese Mitarbeiter sollten mit Lehrgängen für den ersten Arbeitsmarkt fit gemacht werden. Finanziert wurde das vom Europäischen Sozialfonds sowie der Arge. Gleichzeitig erhielten die Mitarbeiter Kurzarbeitergeld aus Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit. Das bedeutete für die Arbeitnehmer Löhne ohne Einbußen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den Vieren vor, die Mitarbeiter der Qualifizierungsgesellschaft fast ausschließlich in der Produktion von Pose-Marré eingesetzt zu haben. Weiterbildung habe nicht oder kaum stattgefunden.
Einer der Verteidiger wies gestern darauf hin, dass sich die vier Angeklagten das Geld nicht in die eigene Tasche gesteckt hätten, sondern bemüht gewesen seien, die Firma zu retten.
Diese Sichtweise schien Betriebsrat Kempa bereits 2002 fragwürdig: Einer der jetzt angeklagten, Wolfgang P., habe in aller Heimlichkeit versucht, bei Leipzig eine neue Produktionsstätte zu erreichten, vermutete Kempa vor fünf Jahren.
Die Angeklagten, im Alter zwischen 49 und 70 Jahren, machten Freitag keine Aussagen zu den Vorwürfen. Zeugen sollen nun Licht ins Dunkel bringen. Der Prozess wurde auf 14 Verhandlungstage angesetzt.