Erkrath: Krankenwagen mit vier Hufen
Der Erkrather Ortsverband der freiwilligen Helfer ist 100 Jahre alt geworden. Ein Rückblick.
Erkrath. Kranke und Verletzte werden auf Tragen ins Krankenhaus gebracht. Ärzte hetzen gestresst durch die Flure, in denen Krankenschwestern mit großen weißen Hauben auf den Köpfen Betten von einem Zimmer ins andere schieben.
Vor der Tür, etwas abseits dieser hektischen Betriebsamkeit, stehen völlig entspannt zwei Pferde. Sie sind vor einen Holzkarren gespannt.
Etwas träge dreinschauend gönnen sie sich ab und zu ein Maul von Gras von den wenigen Grünflächen, die sich am Vorplatz des Krankenhauses befinden. Ansonsten besteht die Beschäftigung der beiden Pferde lediglich darin, auf den Kutscher zu warten.
Eine Pferdekutsche vor einem Krankenhaus: Ein Szenario, das heutzutage kaum noch vorstellbar ist, war Anfang des 20. Jahrhunderts alltäglich. Wo heute Rettungs- und Notarztwagen parken, standen vor früher Pferdekutschen - oder gar nichts.
"Damals wurden Kranke oder Verletzte entweder mit einer Pferdekutsche, auf einem Krankenkarren oder auf einer Trage von Fußgängern transportiert - auch über kilometerweite Entfernungen. An Krankenwagen war noch gar nicht zu denken", sagt Beate Könn.
Die 56-jährige Grundschullehrerin ist seit Oktober vorigen Jahres Vorsitzende des Deutschen Roten Kreuzes in Erkrath. Die Organisation, die aus den im Jahr 2000 zusammengelegten Ortsverbänden Hochdahl und Alt-Erkrath besteht, feiert in diesem Jahr ihr 100-jähriges Bestehen.
Ob auf Martinszügen, Trödelmärkten oder anderen Großveranstaltungen, im Laufe der Zeit wurde der Tätigkeitsbereich des Roten Kreuzes von der reinen "Sanitätskolonne" bis zum heutigen Tag immer weitreichender.
Als Folge der "Genfer Konvention" wurden 1894 in Mettmann und 1899 in Hochdahl Sanitätskolonnen gegründet. Nachdem das Hochdahler DRK vorwiegend verletzte Arbeiter des großen Hüttenwerks versorgte, folgte der Erkrather Ortsverband nach einer Gründungsversammlung in der heutigen Gaststätte "Weidenhof" erst 1908.
Die Leitung der 23 aktiven und sieben passiven Mitglieder übernahm mit Dr. Johann Strucksberg ein seit 1883 in Erkrath ansässiger praktischer Arzt. "Damals war das medizinische Wissen natürlich zwar nicht so ausgereift wie heute.
Heute werden ehrenamtliche Helfer durch Seminare fortgebildet, um den Erkrathern eine optimale Versorgung zu gewährleisten. Damals geschah das direkt durch den leitenden Arzt", berichtet Könn, die sich in nächster Zeit über den zweiten, voll ausgerüsteten Rettungswagen für ihren Verband freuen kann: "So werden wir noch flexibler und qualitativ noch hochwertiger aufgestellt sein."
Lange Zeit war das anders: Nachdem 1917 ein erstes Krankenauto für Erkrath aus Kostengründen abgelehnt worden war und in der Nachkriegszeit ein VW Bully als Transportmittel genutzt wurde, stand erst 1973 der erste Krankenwagen zur Verfügung.
Hilfsbedürftige mussten nicht länger per Kutsche in die nahegelegenen Krankenhäuser nach Hilden oder Mettmann transportiert werden. Gelegentlich wurden Unfallopfer sogar mit der Eisenbahn nach Wuppertal oder Düsseldorf gebracht.
Nach der Gleichschaltung durch das NS-Regime während des Zweiten Weltkriegs und der Neugründung des DRK in Deutschland wurden Übungs- und Informationsabende sowie Erste Hilfe-Kurse in der heutigen "Postwirtschaft" an der Bahnstraße abgehalten.
Seit 1994 finden sich die Ehrenamtler, zu denen seit vier Jahren auch die 13 Mitglieder des Jugendrotkreuzes gehören, jeden Dienstag in ihrem Domizil in der Bavierstraße 17 ein.
Zwei Dinge haben sich in den ganzen 100 Jahren beim Deutschen Roten Kreuzes in Erkrath nicht geändert: "Wir sind eine Gemeinschaft, in der jeder für den anderen da ist und die seit dem ersten Tag auf Spenden und Mitgliederbeiträge angewiesen ist", sagt Könn.