Leben am Rande des Rummels

Die Schaustellerfamilie Grimmer ist seit Mittwoch in der Stadt und genießt die freie Zeit vor dem Trubel.

Haan. Die Grimmers sind eine Familie wie jede andere. Nur dass Vater Andreas (44), Mutter Sabine (43) und die Kinder Kevin (17) und Vivian (11) 16 Mal im Jahr den Wohnort wechseln. Unter dem Namen "Grimmer und Sohn" ziehen sie mit ihrem "Bretzel"-Verkaufswagen von Großereignis zu Großereignis.

Nur selten sind die Grimmers in ihrer festen Bleibe in Hamburg, denn die Pausen zwischen den Veranstaltungen werden meist im Wohnwagen verbracht - wie zurzeit in Haan.

"Wir sind seit Mittwoch hier", berichtet Andreas Grimmer und Sabine ergänzt: "Das ist wieder ein Loch im Terminplan." Zwischen den Großereignissen, die bis zu 30 Tage dauern, ist meistens eine Woche frei. Für die vierköpfige Familie eine Gelegenheit, sich zu entspannen.

"Wir haben mal einen Ausflug nach Roermond gemacht, Kollegen in Hamm besucht oder waren in Haan ein Eis essen", berichtet Andreas Grimmer vom Leben abseits des Rummels.

Seine Familie arbeitet seit fünf Generationen als Schausteller und auch seine Frau hat die Schaustellerei mit der Muttermilch aufgesogen. Daher war es für die Eheleute auch gar keine Frage, dass die Kinder mitreisen. "Wir wollen unsere Kinder selbst erziehen, daher sind sie immer mit dabei", so Andreas Grimmer.

Für die Kinder bedeutet das wechselnde Schulen, je nach Aufenthaltsort. Kevin hat unter anderem die Grundschule Mittelhaan und die Haaner Realschule besucht. "Und einen guten Abschluss gemacht", berichtet der stolze Vater. Nun lernt er im Betrieb und sagt selbst: "Ich kann mir schwer vorstellen, was anderes zu machen." .

Mutter Sabine findet vor allem die Vielseitigkeit ihres Berufes reizvoll: "Neben dem Backen und Verkaufen der Brezeln muss man Autos reparieren und Stromleitungen legen. Es wird nie langweilig." Vater Andreas ist zudem überzeugt, "dass man in den Job reingeboren werden muss".

Für Neue sei es schwer, einen Platz in der eingeschworenen Gemeinschaft der Schausteller zu finden, denn die Konkurrenz werde immer härter. Die frühere Regelung "bekannt, bewährt" gebe es nicht mehr. Jedes Jahr müssen sich die Schausteller neu bewerben und einige Veranstalter haben Regelungen, dass ein bestimmter Prozentsatz jährlich wechseln muss.

Nur ältere Schausteller genössen nach einem ungeschriebene Gesetz "Bestandsschutz". "Auch die Klagerei hat zugenommen", sagt Andreas Grimmer bedauernd und berichtet von einem Autoscooter-Besitzer, der sich vor Gericht einen Stellplatz erstritten hat.

Doch das seien einzelne, schwarze Schafe. "Eigentlich kommen wir prima miteinander aus und besuchen uns gegenseitig mal auf einen Kaffee oder ein Bier. "Das ist wie ein Dorf, das sich jedes Mal neu zusammensetzt", berichtet Sabine Grimmer. Auch wenn man selten die gleiche Reiseroute habe, seien Freundschaften entstanden.

"Kontakt hält man dann eben über E-Mail und Telefon." Außerdem gebe es regelmäßige Bälle, Delegiertentage und Jugendtreffen. Auf einem solchen lernten sich auch Andreas und Sabine vor 20 Jahren kennen. "Man kennt sich untereinander und heiratet untereinander", erzählt der 44-Jährige und schmunzelt.

Wie weit solche Pläne bei Kevin gediehen sind, darüber breitet der 17-Jährige lieber den Mantel des Schweigens. Der nächste Schritt zum Erwachsenwerden ist allerdings fest geplant: Kommendes Jahr erhält Kevin, der noch in einem Anbau wohnt, seinen eigenen Wohnwagen. Den passenden Führerschein hat er bereits in der Tasche.